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Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman

Titel: Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green , Sophie Zeitz
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berechnen ließ. Doch er fürchtete, dass er vielleicht nicht genug Genialität besaß, um die Verbindungen zu ziehen. Denn ihm fiel einfach keine Lösung ein, wie er die restlichen Katherines korrekt darstellen könnte, ohne die Kurven zu vermasseln, die er bereits erstellt hatte. Und aus irgendeinem Grund löste der befürchtete Mangel an Genialität mehr Sehnsucht nach K-19 in ihm aus, als er in der ganzen Zeit, seit er in seinem Zimmer das Gesicht in den Teppich gedrückt hatte, gespürt hatte. Das Loch in seinen Eingeweiden tat so weh, dass er irgendwann aufhörte, an seinem Theorem zu tüfteln, und sich nur noch fragte, wie etwas, das gar nicht da war, einem solche Schmerzen zufügen konnte.
     
    Um halb fünf kam eine Frau herein und verkündete, sie sei die letzte noch nicht interviewte Mitarbeiterin von Gutshot Textiles, die derzeit Schicht hatte. Sie zog ein Paar dicke Handschuhe aus, blies sich die Ponyfransen aus dem Gesicht und sagte: »Ich hab gehört, einer von euch ist ein Genie.«
    »Ich bin kein Genie«, erklärte Colin nüchtern.
    »Na ja, für mich bist du das, was einem Genie am nächsten kommt, und ich hab da eine Frage. Warum fliegt der Duschvorhang immer nach innen, wo das Wasser ihn eigentlich nach außen drücken müsste?«
    »Das«, sagte Hassan kopfschüttelnd, »ist eins der ungelösten Geheimnisse des Universums.«
    »Nicht ganz«, widersprach Colin. »Ich weiß, warum.« Colin lächelte. Es fühlte sich gut an, endlich wieder gebraucht zu werden.
    »Nein«, rief Hassan. »Im Ernst?«
    »Ja. Es ist so. Der Sprühnebel des Duschwassers erzeugt einen Wirbel, ähnlich wie ein Hurrikan. Und in der Mitte des Wirbels – im Auge des Hurrikans – entsteht Unterdruck, der den Duschvorhang nach innen und nach oben zieht. Irgendein Kerl hat mal eine Studie darüber gemacht. Wirklich wahr.«
    »Das«, sagte Hassan, »ist echt interessant. In der Dusche entsteht jedes Mal ein kleiner Hurrikan?«
    »Genau.«
    »Wow«, sagte die Frau. »Mein Leben lang frage ich mich das schon. Danke. Mein Name ist Katherine Layne. Ich bin 22 Jahre alt und arbeite seit zehn Monaten hier.« Sie war ziemlich hübsch, jetzt, da Colin genauer hinsah.
    »Oje«, murmelte Hassan. Doch nein. Katherine Layne gefiel Colin nicht. Und das lag nicht am Altersunterschied. Es lag an K-19. Und Colin wusste, dass die Lage ernst war, denn hier saß er vor einer sehr netten, attraktiven (und aufregend älteren!) Katherine, ohne auch nur den geringsten Hauch von Interesse zu empfinden.
     
    Nach dem Interview mit Katherine Layne packten sie zusammen. Dann fuhren sie eine Zeit lang ziel- und orientierungslos durch die Gegend, mit heruntergelassenen Fenstern auf einem zweispurigen Highway ins Nirgendwo. Im Radio lief ein Sender mit Country-Musik, und sie hatten die Musik so laut aufgedreht, dass die Steelguitars in den alten Lautsprechern des Leichenwagens schepperten. Wenn sie konnten, stimmten sie beim Refrain mit ein, laut und schief und hemmungslos. Es tat gut, mit aufgesetztem Country-Akzent sentimentale Schlager herauszuschmettern. Colin war traurig, doch es war eine Art von berauschender, bodenloser Traurigkeit, die ihn mit Hassan verband und mit den lächerlichen Songs und vor allem mit ihr, und so sang er: »Like Straaaawberry Wine«, bis er plötzlich mitten im Refrain innehielt, Hassan ansah und sagte: »Warte, halt hier an.« Kaum war Hassan auf dem Schotterstreifen neben der Straße stehen geblieben, sprang Colin aus dem Wagen und holte das Telefon heraus.
    »Was machst du da?«, fragte Hassan vom Fahrersitz.
    »Ich geh raus aufs Feld, bis ich Netzempfang habe, und dann ruf ich sie an.«
    Hassan fing an mit der Stirn rhythmisch gegen das Lenkrad zu schlagen. Colin stapfte davon. Als er über das Feld marschierte, hörte er Hassan hinter sich rufen: »Ritzenkrümel!« Colin ging weiter. »Daddy lässt dich hier stehen, wenn du noch einen Schritt machst!« Colin ging einen Schritt weiter und hörte hinter sich, wie der Motor aufheulte. Er drehte sich nicht um. Er hörte die Reifen auf dem Schotter knirschen, dann erreichten sie den Asphalt, und schließlich hörte Colin, wie das Heulen des gequälten Motors in der Ferne leiser wurde. Nach fünf Minuten fand er eine Stelle, an der sein Telefon einigermaßen guten Empfang anzeigte. Es war schrecklich still hier draußen. In Chicago ist es nur so still, wenn es schneit , dachte er. Und dann klappte er das Telefon auf, drückte auf Voice Control und sagte »Katherine«. Er sagte es

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