Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman
Bier (normale Teenager hatten mehr als nur einen Freund). Sein Vater wollte, dass Colin all das übersprang, aber vielleicht dämmerte sogar ihm inzwischen, dass aus Colin nie ein echtes Genie werden würde.
Colin ging rauf in Hassans Zimmer, um die frohe Botschaft zu verkünden, doch Hassan schien nicht da zu sein. Also machte sich Colin in dem dunklen Haus auf die Suche, bis er schließlich irgendwo im Erdgeschoss eine geschlossene Tür entdeckte, hinter der er Lindseys Stimme hörte. Colin blieb vor der dünnen Tür stehen und lauschte.
»Okay, aber wie macht er das? Lernt er einfach alles auswendig?«, sagte Lindsey gerade.
»Nein, so funktioniert es nicht. Es ist so. Wenn wir ein Buch nehmen, zum Beispiel über die amerikanischen Präsidenten, und wir lesen, dass William Howard Taft der dickste Präsident aller Zeiten war und einmal in seiner eigenen Badewanne stecken geblieben ist 51 , dann würde es in unserem Gehirn Klick machen, weil es interessant ist, und wir würden es uns merken, richtig?« Lindsey lachte. »Du und ich, wir lesen ein Buch und finden darin vielleicht drei interessante Sachen, die wir uns merken. Aber Colin findet alles interessant. Er liest ein Buch über Präsidenten, und er merkt sich alles, weil es bei allem, was er liest, Klick bei ihm macht, weil er alles interessant findet. Ganz ehrlich. Ich habe gesehen, wie er das Telefonbuch liest. Er sagt Sachen wie: ›Wow, hier gibt es vierundzwanzig Tischlers. Faszinierend. ‹«
Als er hörte, wie Hassan seine Gabe zugleich übertrieb und lächerlich machte, hatte Colin gemischte Gefühle. Dabei hatte Hassan wahrscheinlich recht. Doch es war nicht so, dass Colin alle Dinge an sich faszinierend fand und das Telefonbuch auswendig lernte, weil es eine so aufregende Lektüre war. Wenn Colin etwas faszinierend fand, hatte das einen Grund. Zum Beispiel die Sache mit den Tischlers, die zufälligerweise stimmte (das hatte Hassan sich korrekt gemerkt). Als Colin an jenem Tag mit Hassan ins Telefonbuch sah, dachte er: Wie seltsam, dass es in Chicago genau 24 Tischlers gibt, wo das durchgehend geöffnete Nagelstudio an der Ecke »24/7 Nägel« heißt. Und dann fragte er sich, ob im Chicagoer Telefonbuch noch weitere 7 Tischler in irgendeiner anderen Sprache verzeichnet waren, und es stellte sich heraus, dass es haargenau 7 Carpinteros gab. Colin fand es also nicht nur deswegen interessant, weil er langweilig und interessant nicht unterscheiden konnte, sondern weil sein Gehirn Querverbindungen knüpfte, Querverbindungen, die er ständig und zwangsläufig überall sah.
»Aber das erklärt nicht, warum er so gut in Scrabble ist«, entgegnete Lindsey.
»Na ja, darin ist er gut, weil er geradezu lächerlich gut darin ist, Anagramme zu bilden. Und alles, was er einmal anfängt, betreibt er mit ungeheurem Fleiß. Tippen, zum Beispiel. Tippen hat er erst in der neunten Klasse gelernt, als wir uns gerade anfreundeten. Unser Englischlehrer wollte, dass wir unsere Aufsätze abtippen, und da hat sich Singleton in zwei Wochen selber das Tippen beigebracht. Er hat aber nicht nur mit seinem Englischaufsatz geübt. Jeden Tag hat er sich nach der Schule an den Computer gesetzt und Shakespeares Dramen abgetippt. Alle. Buchstabe für Buchstabe. Und dann hat er den Fänger im Roggen abgetippt. Er hat getippt und getippt, bis er tippen konnte wie ein Genie.«
Colin trat einen Schritt von der Tür zurück. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er sein Leben lang nichts anderes getan hatte. Abtippen. Anagramme bilden. Fakten wiedergeben, die er aus Büchern hatte. Neunundneunzig Stellen einer bekannten Zahl auswendig lernen. Sich immer wieder in die gleichen neun Buchstaben verlieben. All das war ein Abtippen und Abtippen und Abtippen und Abtippen. Seine einzige Hoffnung auf Originalität war das Theorem.
Als er die Tür schließlich öffnete, saßen Hassan und Lindsey an entgegengesetzten Enden einer grünen Ledercouch. In der Mitte des Zimmers stand ein mit pinkfarbenem Filz bezogener Billardtisch. Lindsey und Hasan sahen auf einem riesigen Flachbildschirm, der an der Wand hing, Poker. »Mann«, sagte Hassan, als Colin reinkam, »auf dem Bildschirm sieht man jeden Pickel.«
Colin setzte sich dazwischen. Lindsey und Hassan unterhielten sich über Poker und Pickel und HD und DVR, während Colin eine graphische Darstellung seiner Vergangenheit anfertigte. Bis zum Ende des Abends hatte er eine leicht bearbeitete Formel erarbeitet, die auch auf zwei weitere Katherines
Weitere Kostenlose Bücher