Die erste Nacht - Roman
deinen.
Hydra
Walter entschuldigte sich bei Elena, es waren besondere Umstände, er hätte nie sein Handy angelassen, würde er nicht auf Nachricht aus China warten. Elena drängte ihn, den Anruf entgegenzunehmen. Walter stand auf und entfernte sich ein Stück in Richtung Hafen. Ivory wollte wissen, ob es Neuigkeiten gab.
»Nichts, Sir, immer noch nichts. Das Flugzeug ist in Beijing gelandet, das ist schon mal etwas! Wenn meine Berechnungen stimmen, muss er um diese Zeit bereits den Richter getroffen haben, vermutlich ist er bereits unterwegs zum Gefängnis. Vielleicht sind sie sogar schon wieder vereint. Lassen wir sie diesen wohlverdienten Augenblick genießen. Sie können sich bestimmt vorstellen, wie glücklich sie sein müssen, wieder beisammen zu sein! Ich verspreche, Sie anzurufen, sobald ich etwas gehört habe.«
Walter beendete das Gespräch und kehrte zu seinem Tisch zurück.
»Leider«, sagte er zu Elena, »war es nur ein Kollege der Akademie, der eine Auskunft benötigte.«
Sie setzten ihre Unterhaltung fort und warteten auf das Dessert, das Elena bestellt hatte.
Gefängnis Garther
Meine Dreistigkeit während des Abendessens hatte mir die Sympathie meiner Mitgefangenen eingebracht. Als ich, von zwei Wachen begleitet, in meine Zelle geführt wurde, klopften mir einige der Häftlinge, die ebenfalls auf dem Rückweg waren, freundschaftlich auf die Schulter. Mein Zellennachbar bot mir gar eine Zigarette an, was hier sicher ein Geschenk von großem Wert darstellte. Also zündete ich sie bereitwillig an, doch als Erinnerung an eine erst vor Kurzem ausgeheilte Lungenentzündung wurde ich von einem Hustenanfall geschüttelt.
Auf dem Brett, das als Bett diente, lag eine Strohschicht, so dünn wie eine Decke. Als ich mich hinlegte, flammten die Schmerzen von den Stockhieben wieder auf, doch ich war derart erschöpft, dass ich einschlief, sobald ich mich ausgestreckt hatte. Ich hatte Keira wiedergesehen, und ihr Gesicht begleitete mich die ganze finstere Nacht hindurch.
Am folgenden Morgen wurden wir von einem Gong geweckt, der in den Mauern des Gefängnisses widerhallte. Mein Mitgefangener stieg aus seinem Bett, zog Socken und Hose an, die er an einem Holm der Leiter aufgehängt hatte. Ein Aufseher öffnete die Zellentür, mein Nachbar nahm seinen Napf und trat auf den Gang. Mir indes bedeutete der Wärter, mich nicht zu rühren. Ich begriff, dass mein Verhalten vom Vortag mit Essensentzug bestraft wurde. Traurigkeit überkam mich, ich hatte die Stunden gezählt, bis ich Keira wiedersehen würde, nun musste ich mich gedulden.
Der Vormittag verging, und ich fragte mich ängstlich, welche Strafe ihr auferlegt würde. Sie war schon so blass … Und plötzlich kniete ich, der Atheist, vor meiner Pritsche und betete wie ein Kind zu Gott, dass Keira nicht in Dunkelhaft kam.
Draußen hörte ich die Stimmen der Gefangenen, wahrscheinlich war es Zeit für den Hofgang. Auch der war für mich gestrichen. Ich saß hier, gequält von Sorge über Keiras Schicksal. Ich stieg auf einen Hocker und zog mich, in der Hoffnung, sie zu sehen, zu der Luke hoch. Die Gefangenen marschierten in Reih und Glied auf eine Halle zu. Auf Zehenspitzen gereckt, verlor ich das Gleichgewicht, rutschte aus und fand mich am Boden wieder, und bis ich mich aufgerappelt hatte, war der Hof leer.
Die Sonne stand hoch am Himmel, es musste Mittag sein. Man würde mich doch wohl nicht vor Hunger sterben lassen, nur um mir Disziplin beizubringen! Auf meinen Dolmetscher zählte ich nicht, um hier herausgeholt zu werden. Ich dachte an Jeanne, ich hatte sie vor meinem Abflug von Athen aus angerufen und ihr versprochen, heute von mir hören zu lassen. Vielleicht würde sie begreifen, dass mir etwas zugestoßen war, und unsere Botschaften informieren.
Während ich so deprimiert dasaß, hörte ich Schritte auf dem Gang. Ein Aufseher betrat meine Zelle und forderte mich barsch auf, ihm zu folgen. Wir liefen über die Brücke und die Metalltreppe hinab, dann stand ich in dem Büro, in dem man mir am Tag zuvor meine Sachen abgenommen hatte. Man gab sie mir zurück, ließ mich ein Formular unterschreiben, und dann befand ich mich plötzlich auf dem Hof. Fünf Minuten später schlossen sich die Gefängnistore hinter mir, ich war frei. Ein Wagen stand auf dem Besucherparkplatz, die Tür öffnete sich, und mein Dolmetscher kam auf mich zu.
Ich dankte ihm für seine Mühe, mich hier herauszuholen, und entschuldigte mich für meine Zweifel.
»Ich habe damit
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