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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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hatte. Ihr wäre lieber gewesen, man hätte mich nach Athen überführt, doch das ließ das Wetter nicht zu. Ein Sturm war losgebrochen, das Meer war entfesselt, und selbst ihre kleine Piper Cub würde nicht starten können. Außerdem war ich nicht reisefähig.
    »Uns bleibt nichts anderes übrig als zu improvisieren«, sagte sie zu Keira.
    Der Sturm dauerte drei Tage an. Zweiundsiebzig Stunden, in denen der Meltemi über die Insel fegte. Der heftige Wind, der von den Kykladen kam, beugte die Bäume, brachte das Haus zum Knarren und riss Ziegel vom Dach. In meinem Zimmer hörte ich, wie die Brandung gegen die Klippen schlug.
    Mama hatte Keira im Gästezimmer einquartiert, doch sobald die Lichter gelöscht waren, kam sie zu mir. In den wenigen Stunden selbstverordneten Schlafs wurde sie von der Ärztin abgelöst, die dann bei mir wachte. Walter überwand seine Angst und legte zweimal am Tag auf dem Rücken des Esels den Weg zurück, um mich zu besuchen. Ich sah ihn völlig durchnässt in mein Zimmer treten. Er nahm auf einem Stuhl Platz und erzählte mir, wie dankbar er diesem Sturm sei. In dem Gästehaus, in dem er für gewöhnlich wohnte, war ein Teil des
Dachs abgedeckt. Elena hatte sofort angeboten, ihn bei sich aufzunehmen.
    Am vierten Tag beruhigte sich der Sturm, und mit ihm verschwand auch das Fieber.

Amsterdam
    Vackeers ging noch einmal seine Post durch. Es klopfte zweimal kurz an die Tür, und da er keinen Besuch erwartete, öffnete er automatisch seine Schreibtischschublade und schob die Hand hinein. Mit finsterer Miene trat Ivory ein.
    »Warum haben Sie mir nicht Bescheid gegeben, dass Sie in der Stadt sind? Ich hätte Sie vom Flughafen abholen lassen.«
    »Ich habe den Thalys genommen, ich hatte noch einige Lektüre aufzuarbeiten.«
    »Ich habe nichts zum Abendessen vorgesehen«, fuhr Vackeers fort und schob diskret die Lade zu.
    »Allem Anschein nach sind Sie wie immer auf der Hut«, murmelte Ivory.
    »Ich bekomme wenig unangemeldeten Besuch hier im Palast. Lassen Sie uns essen gehen, hinterher können wir dann spielen.«
    »Ich bin nicht gekommen, um mich mit Ihnen im Schach zu messen, sondern um mit Ihnen zu reden.«
    »Welch ernster Ton. Sie haben Sorgen, das sehe ich Ihnen an, mein Freund.«
    »Verzeihen Sie, dass ich hier einfach so hereinplatze, doch ich habe meine Gründe und muss unbedingt mit Ihnen sprechen.«
    »Ich kenne ganz in der Nähe ein kleines, ruhiges Restaurant. Wir gehen zu Fuß hin, und unterwegs können wir uns dann unterhalten.«

    Vackeers zog seinen Mantel an. Sie durchquerten die große Halle des Palais Dam. Als sie über die riesige Weltkarte schritten, blieb Ivory stehen und betrachtete das Planisphärium unter seinen Füßen.
    »Die Suche wird wieder aufgenommen«, verkündete er feierlich.
    »Sagen Sie mir nicht, dass Sie das verwundert. Mir scheint, Sie haben alles dafür getan.«
    »Ich hoffe, ich werde es nicht bereuen.«
    »Warum diese finstere Miene? Ich erkenne Sie gar nicht wieder - Sie, der sonst nichts lieber tut, als die herrschende Ordnung über den Haufen zu werfen. Sie werden ein kleines Chaos auslösen, das müsste doch ganz nach Ihrem Geschmack sein. Ich frage mich übrigens, was Sie bei diesem Abenteuer am meisten motiviert: die Wahrheit über den Ursprung der Welt zu erfahren oder sich an einigen Personen zu rächen, die Sie in der Vergangenheit gekränkt haben?«
    »Ich glaube, anfangs war es etwas von beidem, aber ich betreibe diese Suche nicht mehr alleine und gefährde das Leben derer, die ich in die Sache verwickelt habe.«
    »Und das beunruhigt Sie? Dann sind Sie in letzter Zeit wirklich gealtert.«
    »Nicht dass mir dieses prächtige Vestibül missfällt, mein Lieber. Doch ich finde, unsere Stimmen hallen hier etwas zu sehr für diese Art Unterhaltung. Lassen Sie uns nach draußen gehen.«
    Vackeers steuerte die westliche Wand an, in der eine Tür verborgen war, führte Ivory die Treppe ins Untergeschoss des Königpalastes hinab, wo sie auf Holzstegen verschiedene unterirdische Kanäle überquerten.
    Es war feucht hier unten, und die Stufen waren bisweilen rutschig.

    »Geben Sie acht, wohin Sie den Fuß setzen, ich möchte nicht, dass Sie in das kalte, schmutzige Wasser fallen. Folgen Sie mir«, sagte Vackeers und schaltete seine Taschenlampe ein. Sie kamen an einem Balken vorbei, in dem ein Kreuzanker einen Mechanismus betätigte, der Vackeers Zutritt zu seinem Computerraum gewährte. Doch heute hielt er dort nicht inne, sondern setzte seinen Weg

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