Die erste Nacht - Roman
Hand und drücktest sie so fest, als hättest du Angst vor dieser Landung. Um dich abzulenken, zog ich das Fragment aus der Tasche, das wir in dem Vulkankrater auf Narcondam gefunden hatten, und zeigte es dir.
»Du hast gesagt, du hättest eine Ahnung, wo sich eins der anderen befinden könnte.«
»Sind die Flugzeuge wirklich sicher genug, um diesen Windböen standzuhalten?«
»Es gibt keinen Grund zur Sorge. Was ist mit dem Fragment?«
Mit der freien Hand - die andere hielt noch immer die meine umklammert - zogst du deinen Anhänger hervor. Wir
wollten sie schon zusammenfügen, das nächste Luftloch aber nahm uns jegliche Lust dazu.
»Ich erzähle dir alles nach der Landung, okay?«, sagtest du.
»Gib mir wenigstens einen Hinweis.«
»Der hohe Norden, irgendwo zwischen Baffin-Bucht und Beaufortsee. Das sind mehrere tausend Kilometer, ich erkläre dir, warum, doch zuerst zeigst du mir deine Insel.«
Hydra
In Athen nahmen wir ein Taxi und schifften uns zwei Stunden später nach Hydra ein. Du bliebst in der Kabine, während ich mich aufs Vorderdeck begab.
»Sag bloß, du wirst seekrank …«
»Ich bin gerne an der frischen Luft.«
»Du frierst und willst doch draußen sein? Gib zu, dass du seekrank bist, warum sagst du nicht die Wahrheit?«
»Weil es für einen Griechen fast ein Makel ist, nicht seefest zu sein, und ich weiß nicht, was daran witzig sein soll.«
»Ich kenne jemanden, der sich vor nicht langer Zeit über meine Flugangst lustig gemacht hat …«
»Ich habe mich nicht lustig gemacht«, antwortete ich und beugte mich über die Reling.
»Dein Gesicht ist grüngrau, und du zitterst. Lass uns in die Kabine gehen, sonst wirst du noch ernsthaft krank.«
Ein erneuter Hustenanfall überkam mich, und ich ließ mich hineinführen. Ich spürte genau, dass ich wieder Fieber hatte, wollte aber nicht daran denken. Ich war glücklich, dich zu mir nach Hause zu bringen, und nichts sollte diesen Augenblick verderben.
Ich wartete, bis wir in Piräus waren, um meiner Mutter Bescheid zu geben, und als das Schiff auf Hydra anlegte, malte ich mir schon ihre Vorwürfe aus. Ich hatte sie gebeten, kein Festessen vorzubereiten, da wir erschöpft wären und nur davon träumten, uns auszuschlafen.
Mama empfing uns zu Hause. Und zum ersten Mal erlebte ich dich eingeschüchtert. Sie fand, dass wir beide furchtbar aussahen. Sie bereitete ein leichtes Abendessen zu, das sie uns auf der Terrasse servierte. Tante Elena hatte entschieden, im Dorf zu bleiben, um uns drei allein zu lassen. Bei Tisch bedrängte dich Mama mit Fragen, und sosehr meine Blicke auch flehten, sie möge dich in Ruhe lassen, es half nichts. Du aber gingst mit einer Engelsgeduld auf alles ein. Wieder schüttelte mich ein Hustenanfall und beendete den Abend. Mama begleitete uns in mein Zimmer. Die Laken dufteten nach Lavendel, und die Brandung, die gegen den Felsen schlug, wiegte uns in den Schlaf.
Frühmorgens erhobst du dich und schlichst auf Zehenspitzen hinaus. Seit deinem Aufenthalt im Gefängnis konntest du nicht mehr ausschlafen. Ich hörte dich das Zimmer verlassen, war aber zu schwach, um dir zu folgen. Du unterhieltest dich in der Küche mit Mama, ihr schient euch gut zu verstehen, und so schlief ich wieder ein.
Später erfuhr ich, dass Walter am Morgen auf der Insel eingetroffen war.
Elena hatte ihn am Vortag angerufen und ihm unsere Ankunft mitgeteilt, woraufhin er sofort das nächste Flugzeug genommen hatte. Eines Tages vertraute er mir dann an, die ständigen Reisen zwischen London und Hydra hätten ein großes Loch in seine Rücklagen gerissen.
Am frühen Nachmittag traten Walter, Elena, Keira und meine Mutter in mein Zimmer. Betroffen standen sie da und sahen, wie ich fieberglühend und völlig ermattet in meinem Bett lag. Meine Mutter legte mir in einer Eukalyptusessenz getränkte Kompressen auf die Stirn. Doch das alte Hausmittel reichte nicht aus, um das Übel zu vertreiben, das von mir Besitz ergriffen hatte.
Wenige Stunden später bekam ich Besuch von einer Frau, die ich niemals geglaubt hatte wiederzusehen, doch dank Walters Manie, alles aufzuschreiben, tauchte auch die Telefonnummer einer fliegenden Ärztin in seinem kleinen Notizbuch auf. Doktor Sophie Schwartz setzte sich an mein Bett und ergriff meine Hand.
»Diesmal ist es leider keine Komödie, Sie haben sehr hohes Fieber, mein Lieber.«
Sie horchte mich ab und diagnostizierte sofort ein Wiederaufflammen der Lungenentzündung, von der meine Mutter ihr erzählt
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