Die erste Todsuende
Es dauert zwei Tage, ehe sie sagen können, ob sie anschlagen oder nicht." Sie war es, die ihn tröstete.
Er nickte betreten. „Ist alles in Ordnung?" erkundigte er sich eifrig. „Ich meine, mit dem Essen, den Schwestern?"
„Alles wunderbar."
Plötzlich hatte sie eine Absence. Das war in letzter Zeit bereits öfter vorgekommen, und er war jedesmal zutiefst erschrocken. Ihr Körper schien ganz steif zu werden, ihre Augen starrten ins Leere. Ihre Lippen bewegten sich, doch sie formten keine Worte.
„Honey Bunch", sagte sie nach einer Weile.
„Was?" fragte er. Er begriff nicht und hätte am liebsten geweint.
„Meine Honey Bunch-Bücher", wiederholte sie geduldig, blickte aber noch immer ausdruckslos vor sich hin. „Wo sind die eigentlich hingekommen?"
„Ach, deine Honey Bunch-Bücher", sagte er. „Weißt du nicht mehr? Als Liza uns sagte, daß sie ein Kind bekommt, haben wir alle Kinderbücher zusammengepackt und sie ihr geschickt."
„Vielleicht schickt sie sie zurück", murmelte sie, wandte den Kopf und sah ihn mit blinden Augen an. „Meine Honey Bunch-Bücher!"
„Ich werde dir welche besorgen."
„Ich will aber keine neuen. Ich will die alten."
„Ich weiß, ich weiß", sagte er verzweifelt. „Die alten mit den roten Einbänden und den Zeichnungen. Ich werde sie dir besorgen, Barbara! Barbara?"
Langsam stellten ihre Augen sich wieder auf ihn ein. Sie kehrte zurück. Er konnte es genau beobachten. Schließlich sah sie ihn an.
„Edward?"
„Ja", sagte er, „hier bin ich."
Sie lächelte, ergriff seine Hand. „Edward!" wiederholte sie.
„Du, Barbara, es kommt nachher noch jemand, der mich sprechen will. Christopher Langley, ein früherer Kurator vom Metropolitan. Ich hab dir schon von ihm erzählt."
Sie nickte. „Ja, ich weiß. Er versucht, die Tatwaffe im Fall Lombard zu identifizieren."
„Richtig!" rief er entzückt und beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen.
„Wofür war denn das?" Sie lachte.
„Dafür, daß du du bist."
Er zog seinen Stuhl näher heran und umschloß ihre Hände. Sie sprachen von Belanglosem, hörten einander eigentlich gar nicht richtig zu, sondern hielten sich bei den Händen gefaßt und sangen ein bezauberndes Duett.
Ein schüchternes, aber hartnäckiges Pochen an der Tür ließ sie aufschrecken. Delaney drehte sich um und rief: „Herein!"
Strahlend und energiegeladen trat Christopher Langley ins Zimmer. Und hinter ihm, gleich einem Schlachtschiff im Kielwasser einer schnittigen Korvette, kam die üppige Witwe Zimmerman. Auch sie strahlte. Beide hatten braune Papiertüten von seltsamer Form im Arm.
Delaney sprang auf. Er schüttelte Langley die Hand, verbeugte sich vor der Witwe und stellte sie beide seiner Frau vor. Barbara machte sofort ein fröhliches Gesicht. Sie mochte Menschen, besonders solche, die im Gleichgewicht mit sich waren.
Barbara bestand darauf, wieder ins Bett gebracht zu werden; sie wußte, daß Edward mit Langley unter vier Augen sprechen wollte. Die Witwe Zimmerman ließ sich auf einen Stuhl neben dem Bett fallen und machte ihre Tüte auf. Gefilte Fisch! Und selbstgemachte noch dazu! Die beiden Männer standen daneben, nickten und lächelten, als die Witwe sich über die Nähr- und Heilkräfte von Gefilte Fisch ausließ.
Es dauerte nicht lange, da lehnte sich die gute Witwe vor, ergriff Barbaras Hand, tätschelte sie, und wenig später waren die beiden Frauen tief in eine halblaute, sehr intime Unterhaltung versunken. Die Männer zogen sich eilends in eine Ecke des Krankenzimmers zurück und steckten die Köpfe zusammen.
„Vorweg, Captain", sagte der kleine Mann, „lassen Sie mich sagen, daß ich nicht herausfinden konnte, mit welcher Waffe Frank Lombard getötet wurde. Ich habe nachgeschlagen, bin in Museen gewesen und habe auch verschiedene - antike - Waffen gefunden, mit denen man einen Schädel durchbohren könnte. Aber ich muß Ihnen zustimmen — es war bestimmt eine moderne Waffe oder ein Werkzeug. Ich hab mir immerzu den Kopf darüber zerbrochen! Bis ich plötzlich letzte Woche eine Spitzhacke sah, Captain, eine ganz gewöhnliche Spitzhacke. Viel zu groß, um die Lombard-Waffe zu sein, versteht sich. Sie sagten ja, der Mörder müsse sie verborgen bei sich getragen haben. Und eine Spitzhacke unbemerkt mit sich herumzutragen, dürfte wohl ziemlich schwierig sein."
„Nein", sagte Delaney, „das ginge wohl nicht. Aber die Idee mit der Spitzhacke ist recht interessant."
„Es war die Form, die mir ins Auge
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