Die erste Todsuende
Ihnen."
„Ja, hm... Mrs. Gilbert, ich wollte Sie fragen, ob ich Sie wohl kurz sprechen könnte. Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen?"
Sie überlegte einen Augenblick. „Kommen Sie doch auf einen Sprung mit zu mir hinauf. Ich mache mir um diese Uhrzeit immer eine zweite Tasse Kaffee."
„Vielen Dank. Ja. Sehr gern."
Vorsorglich hatte er eine Fotokopie der Adressenliste von 'Camper-Glück' mitgebracht, dazu drei Pakete Karteikarten und einen kleinen Plan des 251. Reviers, auf dem mit der Hand die Grenzen des Reviers eingezeichnet waren.
„Mrs. Gilbert, Sie sagten, Sie würden mir gern helfen. Möchten sie das immer noch?"
„Unbedingt. Mehr denn je. Jetzt wo..."
„Es ist leider eine reine Routinearbeit, noch dazu ziemlich langweilig."
„Das macht nichts."
„Also gut."
Er erklärte ihr, was sie tun sollte: Von jedem Kunden, der im 251. Revier wohnte, sollte sie eine maschinengeschriebene Karteikarte anlegen, und wenn sie damit zu Ende war, sollte sie nach diesen Karten eine neue Adressenliste mit zwei Durchschlägen, auf der dann alle hier im Revier wohnenden Kunden von 'Camper-Glück' zusammengefaßt wären, anfertigen.
„Haben Sie noch irgendwelche Fragen?"
„Nur die Kunden innerhalb der Reviergrenzen?"
„Hm... entscheiden Sie das von Fall zu Fall selbst. Wohnt jemand in einer angrenzenden Straße, nehmen Sie ihn mit auf."
„Trägt das dazu bei, den Mörder meines Mannes zu fassen?"
„Ich hoffe es, Mrs. Gilbert."
Sie nickte. „In Ordnung. Ich werde gleich damit anfangen. Es ist im Augenblick nur gut, wenn ich etwas um die Ohren habe."
Es sah sie bewundernd an.
Später fragte er sich, warum er nach den Besuchen bei Calvin Case und Mrs. Gilbert innerlich so froh war. Es hatte damit zu tun, erkannte er, daß es bei der Unterhaltung um Namen und Adressen gegangen war. Um Namen! Bisher war nur von Werkzeugen und Ölfläschchen die Rede gewesen. Jetzt ging es immerhin bereits um Namen, um Adressen! Vielleicht kam nicht das geringste dabei heraus. Er war darauf gefaßt. Aber es waren Menschen, mit denen er sich beschäftigte, nicht mehr nur leblose Dinge, und er war sehr zufrieden.
Das Gespräch mit Thomas Handry war eine heikle Sache. Delaney erzählte ihm nur soviel, wie Handry seiner Meinung nach wissen sollte; er hielt den Reporter für intelligent genug, die Lücken selber auszufüllen. Zum Beispiel vertraute er ihm an, daß Lombard und Gilbert allem Anschein nach mit derselben Waffe umgebracht worden seien. Er sprach nicht ausdrücklich von einem Eispickel, und Handry, der sich eifrig Notizen machte, nickte nur und stellte keine weiteren Fragen. Als erfahrener Zeitungsmann wußte er, welchen Wert man Ausdrücken wie allem Anschein nach, anscheinend und dem Vernehmen nach beimessen mußte.
Delaney übernahm die volle Verantwortung für die auf eigene Faust durchgeführten Ermittlungen und erwähnte Thorsen, Johnson, Alinski und Broughton mit keinem Wort. Er sagte, er mache sich Sorgen, weil die Verbrechen in seinem alten Revier passiert seien und er sich persönlich dafür verantwortlich fühle. Handry sah von seinem Stenoblock auf und blickte Delaney an, enthielt sich jedoch jeden Kommentars. Delaney sagte zu ihm, er sei davon überzeugt, daß es sich bei dem Mörder um einen Psychopathen handele, daß Lombard und Gilbert einem Zufall zum Opfer gefallen seien und daß der Täter wieder zuschlagen werde.
In die Haare gerieten sie sich, als es darum ging, wann Handry veröffentlichen dürfe. Der Reporter wollte natürlich am liebsten sofort loslegen, während der Captain wollte, er solle damit warten, bis er von ihm grünes Licht bekäme. Sie einigten sich auf einen Kompromiß: Handry würde sich noch zwei Wochen zurückhalten. Hatte er bis dahin kein grünes Licht bekommen, konnte er schreiben, was er wollte, konnte alle möglichen Vermutungen anstellen, jedoch ohne den Namen seines Informanten zu nennen.
In dieser Zeit, da er so hochgestimmt war, erlebte Delaney jedoch auch eine große Enttäuschung. Als er Barbara, die geistig, völlig klar und dem Anschein nach von blühender Gesundheit war, stolz und glücklich die beiden Honey Bunch-Bände brachte, stieß sie einen freudigen Schrei aus, sah ihn dann jedoch an und schüttelte den Kopf.
„Edward", sagte sie, „was um alles in der Welt..."
Er war schon im Begriff, sie daran zu erinnern, daß sie nach diesen Bänden gefragt hatte, doch dann merkte er plötzlich, daß sie ganz offensichtlich nichts mehr davon wußte. Er
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