Die erste Todsuende
und das Gedächtnis des Mannes.
„Beide Male dunkler Anzug", antwortete Blankship wie aus der Pistole geschossen. „Nichts Extravagantes, aber sehr gut geschnitten und teuer. Was mir auffiel, war ein goldenes Kettchen an der Uhr. Wie ein Armband. Als ich ihn das erste Mal sah, war es wohl sein eigenes Haar. Aber beim zweitenmal, möchte ich schwören, trug er eine Perücke. Und ein ziemlich verrücktes Hemd, offen bis zum Bauchnabel, und irgendeine Halskette. So wie die Hippies. Sie wissen schon."
„Irgendein Akzent?" fragte Delaney.
„Akzent?" wiederholte Blankship, überlegte einen Augenblick und sagte dann: „Ein gebürtiger New Yorker ist er nicht. Aus dem Mittleren Westen, nehme ich an. Tut mir leid, daß ich da nicht mehr präzisieren kann."
„Sie sind phantastisch!" versicherte Delaney ihm gut gelaunt. „Glauben Sie, daß er kräftig ist?"
„Kräftig? Das möchte ich meinen. Wer einem anderen mit einem Schlag die Kinnlade zu brechen imstande ist, muß schon stark und kräftig sein. Meinen Sie nicht?"
„Sie haben recht. Welchen Eindruck hatten Sie persönlich von ihm? Labil?"
„Könnte sein, Captain. Wenn Sie eine so hundertprozentige Tunte derart zusammenschlagen, dann muß das wohl was bedeuten. Stimmt's?"
„Stimmt."
„Ich wollte Anklage gegen ihn erheben, aber das Opfer weigerte sich, irgendwas zu unterschreiben. Was sollte ich tun?"
„Das verstehe ich",sagte Delaney. „Mein Interesse für diese Sache hat nichts mit der Niederschlagung zu tun, bitte glauben Sie mir."
„Ich glaube Ihnen, Captain."
„Wissen Sie, wo er arbeitet und wovon er lebt?"
„Steht das nicht in meinem Bericht?"
„Nein."
„Tut mir leid. Aber Sie haben ja den Namen seines Anwalts und dessen Adresse, nicht wahr?"
„Ja, die habe ich. Ich werde ihn fragen", log Delaney. Dies war Blankenships erster Fehler, und noch dazu ein geringfügiger. Es hatte keinen Sinn, sich an den Anwalt zu wenden; er würde die Auskunft schlicht verweigern und Blank bei der ersten Gelegenheit sagen, daß die Polizei dagewesen sei und Fragen gestellt habe.
„Das wär's dann wohl", sagte Delaney. „Vielen Dank für Ihre Hilfe. Wenn Sie irgendwas haben, wo ich Ihnen helfen kann, lassen Sie mich's nur wissen."
„Ich nehme Sie beim Wort, Captain", sagte Blankenship mit seiner tiefen, kehligen Stimme.
„Tun Sie das!" Delaney meinte es ernst.
Nachdem er aufgelegt hatte, mixte er sich seinen Whisky-Soda. Er nahm einen großen Schluck, und dann grinste er übers ganze Gesicht.
Was ihn erfüllte, war Freude! Er nahm die neue Akte -BLANK, Daniel G. - und hielt alles fest, was Blankenship ihm berichtet hatte. Nichts, aber auch gar nichts wich auf signifikante Weise von dem Porträt ab, das er von dem „Tatverdächtigen" gezeichnet hatte. Je vollständiger seine Aufzeichnungen wurden, desto mehr wuchs seine Zuversicht. Es war schön, wunderwunderschön ! So eine Jagd hatte etwas von sinnlichem Vergnügen - war es ein sexuelles Vergnügen? Er war so intensiv bei der Arbeit, daß das Telefon fünfmal klingelte, ehe er den Hörer abnahm. Ja, er schrieb sogar noch weiter, als er bereits sprach.
„Hier Captain Edward X. Delaney."
„Hier Dorfman. Noch einer!"
„Hier Captain,... was?"
„Ich bin's, Dorfman. Tut mir leid, daß ich Sie geweckt habe, Captain. Es ist wieder jemand ermordet worden. Nach dem gleichen Muster, allerdings einige besondere Merkmale."
„Wo?"
„Auf der 85th Street. Zwischen Ist Avenue und York Avenue."
„Ja."
„Groß?"
„Groß? Ich schätze einsfünfundsiebzig, einsachtundsiebzig."
„Gewicht?"
Dorfman schwieg einen Augenblick, ehe er sagte: „Ich kann es nicht sagen, Captain. Ist es wichtig?"
„Besondere Merkmale? Sie sagten 'besondere Merkmale'. Was für besondere Merkmale?"
„Er hat mindestens drei große Wunden. Vielleicht sogar noch mehr. Die Anzeichen deuten auf einen Kampf hin. Drei Weihnachtspäckchen lagen verstreut herum. Kratzspuren auf dem Bürgersteig. Sein Mantel war zerrissen. Sieht aus, als ob er sich gewehrt hätte."
„Schon raus, um wen es sich handelt?"
„Um einen Mann namens Feinberg. Albert Feinberg."
„Fehlt irgendwas? Irgendwelche Ausweise?"
„Weiß man noch nicht", sagte Dorfman müde. „Wird bei seiner Frau gerade überprüft. Seine Brieftasche war nicht wie bei Lombard rausgenommen. Man muß abwarten."
„Na schön", sagte Delaney leise. „Vielen Dank, daß Sie angerufen haben. Hört sich an, als ob Sie Schlaf nötig hätten, Lieutenant."
„Da haben Sie
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