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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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einem der Trinkwasserbehälter auf dem Gang und kehrte zurück ins Wartezimmer. Boznanski lag immer noch im Sessel und stützte den Kopf auf die Lehne. Delaney schenkte einen Pappbecher voll Whisky ein.
    „Dick", sagte er.
    Boznanski machte die Augen auf.
    „Einen Schluck", sagte Delaney. „Nur einen kleinen Schluck, Dick!"
    Er hielt seinem Kollegen den Becher an die Lippen. Boznanski kostete, mußte husten, klappte nach vorn, rang würgend nach Luft und lehnte sich dann wieder zurück. Schluck für Schluck flößte Delaney ihm den Whisky ein. Der Captain bekam wieder Farbe ins Gesicht und richtete sich im Sessel auf. Delaney schenkte auch dem Sergeant einen Becher voll, den dieser dankbar auf einen Zug austrank.
    „Das tut gut!" sagte er.
    „Er kommt nicht durch, nicht wahr?" fragte die Matrone plötzlich und sah Delaney an. „Ich weiß, daß Sie mir nichts vormachen würden."
    „Nein, ich will Ihnen nichts vormachen", sagte Delaney und nickte, während er ihr die letzten paar Tropfen, die noch in der Flasche waren, eingoß. „Nein, er wird wohl nicht durchkommen."
    „O mein Gott!" seufzte sie und fuhr mit blasser Zunge um den Rand des gewachsten Bechers. „Was für eine elende Ehe das war. Aber sind nicht alle Ehen so?"
    Draußen auf dem Korridor näherten sich Schritte. Gefaßt wie immer trat Deputy Inspector Thorsen herein, ging geradewegs auf den im Sessel sitzenden Boznanski zu und starrte auf ihn hinab. Dann wandte er sich an Delaney.
    „Vielen Dank, Edward."
    „Was ist mit Richmond?"
    „Richmond? Oh, der ist hinüber. Man hat alles versucht, aber es war hoffnungslos. Jeder wußte es. Fünf Chirurgen haben sich vier Stunden um ihn bemüht."
    Delaney sah zur Uhr hinauf. Es konnte doch unmöglich schon zwei Uhr morgens sein, oder? Was war bloß los mit der Zeit?
    „Der Bürgermeister und der Commissioner sind jetzt draußen", sagte Thorsen mit unbewegter Stimme. „Sie plädieren für ein Schußwaffenverbot und für ein neues moralisches Klima."
    „Ja", sagte Delaney. Er schritt hinüber zum Schwesternschreibtisch. „Wo kann ich Dr. Spencer erreichen?" fragte er mit rauher Stimme.
    Müde sah sie ihn an. „Versuchen Sie's mal im Chirurgenzimmer. Wenn Sie rauskommen, gleich rechts durch die Schwingtür. Linkerhand ist eine schmale Tür, auf der 'Kein Zutritt' steht. Das ist es."
    „Vielen Dank", sagte Delaney mit klarer Stimme.
    Er folgte ihren Angaben. Als er, ohne anzuklopfen, die schmale Tür aufstieß, erblickte er einen kleinen Raum, eine Couch und zwei Lehnsessel, einen Fernsehapparat, einen Kartentisch und vier Klappstühle. Es waren fünf Männer in Operationskitteln im Raum, mit Kappen auf dem Kopf und den Masken, die sie heruntergenommen hatten, vor der Brust. Drei trugen hellgrüne Kittel, zwei weiße.
    „Dr. Spencer?" fragte Delaney laut.
    Der Mann am Fenster drehte sich langsam um, warf einen Blick auf die Uniform und wandte sich dann wieder dem Fenster zu.
    „Er ist tot", sagte er mit hohl klingender Stimme. „Ich habe es ihnen doch schon erklärt."
    „Ich weiß, daß er tot ist", sagte der Captain. „Mein Name ist Delaney. Sie haben heute am Spätnachmittag meine Frau operiert. Nierensteine. Ich möchte gern wissen, wie es ihr geht."
    „Delaney", wiederholte Spencer. „Nierensteine. Hm, ja. Ich mußte eine Niere rausnehmen."
    „Warum?"
    „Sie war infiziert, krank, in Auflösung begriffen."
    „Infiziert wovon?"
    „Die Gewebeprobe ist unten im Labor. Morgen werden wir es wissen."
    Einer der anderen Ärzte sah auf. „Mit nur einer Niere kann man auch leben", sagte er sanft zu Delaney.
    „Hören Sie", sagte Delaney und wollte fast ersticken, „hören Sie, Sie haben gesagt, es würde keine Schwierigkeiten geben."
    „So? Hab ich das?" fragte Spencer. „Was wollen Sie von mir? Ich bin nicht der liebe Gott."
    „Himmel, wenn Sie es nicht sind", rief Delaney aufgebracht, „wer, zum Teufel, ist es dann?"
    Es klopfte. Eine farbige Schwesternhelferin steckte den Kopf mit der Haube darauf durch die geöffnete Tür und sah sich dreist um. „Ist einer der Herren vielleicht ein gewisser Captain Delaney?" fragte sie keck.
    „Ich heiße Delaney."
    „Ein Anruf für Sie, Captain. Im Wartezimmer. Angeblich furchtbar wichtig."
    Delaney warf einen letzten Blick in die Runde. Spencer starrte schon wieder zum Fenster hinaus, und die anderen versuchten, geschäftig auszusehen. Er eilte mit großen Schritten den Korridor hinunter, stieß wütend die Schwingtür zurück und platzte wieder

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