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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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ins Wartezimmer hinein.
    „Hier Captain Edward X. Delaney."
    „Captain, hier Dorfman."
    „Ja, Lieutenant, was gibt's?"
    „Tut mir leid, daß ich Sie störe, Captain. Um diese Zeit."
    „Was ist denn?"
    „Ein Mord, Captain."

DRITTER TEIL

11
    Die Straße war mit Holzböcken abgesperrt: rohes gelbes Holz mit der seitlich angebrachten Schablonen-Aufschrift: „Polizeibehörde - New York". Zu Füßen der Absperrung standen Öllampen - schwarze Zylinder mit rußenden Dochten. Sie sahen aus wie Anarchistenbomben aus dem 19. Jahrhundert.
    Ein Polizist grüßte, schob einen Sägebock beiseite und ließ Delaney durch. Der Captain ging mitten auf der Fahrbahn langsam zum Fluß hinunter. Er blieb stehen, um die Szene vor ihm in sich aufzunehmen. Als ihm aufging, was geschah, nahm er die Mütze ab, bekreuzigte sich und senkte den Kopf.
    Ein Dutzend Fahrzeuge war in einem Halbkreis aufgefahren: Streifenwagen, Krankentransporter, ein Scheinwerferwagen, ein Laborwagen, drei Limousinen ohne die sonst übliche Beschriftung „Police" und ein geschlossener schwarzer Wagen. Dreißig Polizisten standen reglos da, barhäuptig, die Köpfe gesenkt.
    Dieser Block war mit der neuen Straßenbeleuchtung ausgestattet worden, die orangefarbenes Licht verstrahlte und keinen Schatten warf. Es rieselte in Toreinfahrten und Ecken wie eine dünne Flüssigkeit; zwar gab es keine Schatten, aber richtig hell war es auch nicht - ein fahles Licht ohne jede Wärme.
    Der in der gelblichen Helligkeit kniende Priester spendete die letzte Ölung und erhob sich. Die Wartenden setzten die Mützen wieder auf; man vernahm unterdrücktes Gemurmel.

    Delaney starrte auf das nächtliche Bild, ging dann langsam weiter und geriet in den erbarmungslosen weißen Strahl der Scheinwerfer. Einige Männer drehten sich nach ihm um. Lieutenant Dorfman kam mit verzerrtem Gesicht auf ihn zugeeilt.

    „Es ist Lombard" erklärte er atemlos. „Frank Lombard, der Stadtverordnete von Brooklyn. Wissen Sie - der, der immer über steigende Kriminalität redete und in den Zeitungen schrieb, wie beschissen die Polizei arbeitet."
    Delaney nickte. Er sah sich in der Runde der versammelten Männer um: Polizisten, Detektive vom Morddezernat Nord, Laborspezialisten, ein Inspector von der Fahndungsabteilung. Und ein Stellvertreter des Commissioner Seite an Seite mit einem der persönlichen Assistenten des Bürgermeisters.
    Doch da war noch jemand, einer, der neben der Leiche kniete. Captain Delaney erkannte die massige Gestalt von Dr. Sanford Ferguson. Trotz der grell leuchtenden Scheinwerfer benutzte der Chirurg noch eine Stableuchte, um den Schädel des Toten zu untersuchen. Er trat ein wenig beiseite, die Fotografen legten eine Meßlatte neben die Leiche und machten weitere Blitzlichtaufnahmen. Dann kniete er sich wieder auf den nassen Bürgersteig. Delaney ging hin und stellte sich neben ihn. Ferguson blickte auf.
    „Hallo, Edward!" Er lächelte. „Hab mich schon gefragt, wo Sie bleiben. Sehen Sie sich das hier an!"
    Ehe er hinkniete, blickte er das Opfer aufmerksam von oben an. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, was geschehen war. Der Mann war von hinten niedergeschlagen worden. Der Hinterkopf schien zertrümmert; dickes schwarzes Haar, blutverklebt.
    Offenbar war er mit dem Gesicht auf dem Bürgersteig aufgeschlagen, denn aus der eingedrückten Nase war Blut herausgeflossen, vielleicht auch aus dem zerschundenen Mund und den Hautabschürfungen im Gesicht. Blut, das bis jetzt noch nicht geronnen war, sickerte aus dem Kopf und bildete ein Rinnsal, das in einem kleinen Geviert rissiger Erde um eine ärmliche Platane am Rinnstein mündete.
    Delaney sah sich beim Hinknien vor und vermied es, eine flache lederne Brieftasche zu berühren, die neben der Leiche lag. Er wandte den Kopf, blinzelte im grellen Scheinwerferlicht.
    „Ist die Brieftasche schon auf Fingerabdrücke untersucht worden?" rief er den Männern zu, die er nicht sehen konnte.
    „Nein, Sir", rief jemand zurück. „Bis jetzt noch nicht."
    Delaney musterte sie.
    „Alligator", sagte er, „da werden wir nicht viel drauf finden." Er holte einen Kugelschreiber aus seiner Uniformjacke und klappte .damit behutsam die Brieftasche auf, wobei er nur eine Ecke berührte. Dr. Ferguson richtete den Strahl seiner Stablampe darauf. Beide sahen das dicke Bündel grüner Dollarscheine.
    Delaney ließ die Brieftasche zuklappen und wandte sich der Leiche zu. Ferguson richtete den Strahl seiner Stablampe auf den Hinterkopf der

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