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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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ausrichten, hieß es.
    Im Wartezimmer saß jetzt die geflüchtete Schwester wieder hinter ihrem Schreibtisch. Er fragte, ob Dr. Spencer immer noch operiere. Sie sagte, sie werde sich erkundigen und gleichzeitig nachfragen, wie es seiner Frau gehe. Er dankte ihr. Sie dankte ihm, mittlerweile geradezu menschlich geworden.

    Er ging zu Captain Boznanski hinüber, der sich inzwischen gesetzt, den Kopf in den Nacken gelegt hatte und keuchend nach Atem rang. Er sah nicht gut aus. Der Sergeant stand besorgt neben ihm.
    „Captain", sagte er, „gibt es hier irgendwo Schnaps?"
    Delaney sah auf den Mann im Sessel hinunter. „Ich werde mal fragen", sagte er.
    „Er kam vor einem halben Jahr früher als sonst von der Arbeit nach Haus", sagte die Frau im Nerz neben seinem Ellbogen, „und klagte über Schmerzen in der Brust. Er ist immer ein starker Raucher gewesen, und ich dachte..."
    „Jaja", sagte Delaney und nahm ihren Arm. „Und was war es nun wirklich?"
    „Das wußte ja eben keiner, man wollte nur vorsichtshalber diesen Eingriff machen, um ganz sicherzugehen."
    Delaney nickte. „Einen Augenblick noch. Ich bin gleich wieder da."
    Der Captain ging mit großen Schritten bis zum Ende des Korridors auf dem dritten Stock. Vor den Schwingtüren, die zu den Aufzügen hinausführten, standen zwei Polizisten Wache, die beiseite traten, um ihn durchzulassen.
    Kaum war er draußen, wurde er von Reportern umringt, die alle auf einmal redeten. Delaney hielt die Hand hoch, bis sie ruhig wurden.
    „Irgendwelche Verlautbarungen können nur von Deputy Inspector Thorsen oder von noch weiter oben kommen. Nicht von mir."
    „Lebt Richmond noch?"
    „Soweit ich weiß, ja. Er wird gerade operiert. Weiter weiß ich nichts. Jetzt lassen Sie mich bitte..."
    Er bahnte sich den Weg durch die Menge. In der Nähe der Aufzugstüren war man dabei, Fernsehkameras aufzubauen. Dann sah Delaney Thomas Handry an der Wand lehnen, den Reporter, der ihn auf seiner nächtlichen Inspektionsrunde begleitet hatte. Handrys Augen schienen geweitet und fiebrig.
    „Ich hab's Ihnen ja gesagt, ich hab's Ihnen ja gesagt", sagte er zu Delaney.
    „Haben Sie Whisky bei sich?" fragte der Captain ihn.
    Handry blickte ihn verstört an.
    „Nehmen Sie den Hut ab!" befahl Delaney.
    Handry riß sich den Hut vom Kopf.
    „Ob Sie Whisky bei sich haben?"
    „Nein, das habe ich nicht, Captain."
    „Ich brauche nicht mehr als einen Schluck. Fragen Sie doch mal rum, ja? Vielleicht hat einer von Ihren Kollegen eine Taschenflasche bei sich, oder einer von den Fernsehleuten. Ich bezahle selbstverständlich."
    „Ich erkundige mich mal, Captain."
    „Vielen Dank. Sagen Sie dem Polizisten an der Tür Bescheid, er soll mich rufen. Ich bin im Wartezimmer."
    „Wenn keiner welchen hat, werde ich rausgehen und welchen holen."
    „Vielen Dank."
    „Ist Richmond tot?"
    „Ich weiß es nicht."
    Er kehrte in das Wartezimmer zurück.
    „Dr. Spencer ist immer noch im OP", berichtete die Schwester ihm. „Und auf der Intensivstation hieß es, daß Ihre Frau ganz ruhig schläft."
    „Ich danke Ihnen."
    „Ein vorsorglicher Eingriff", sagte die Matrone und packte ihn am Ellbogen. „Angeblich nichts weiter als ein vorsorglicher Eingriff. Und jetzt wollen sie mir überhaupt nichts sagen."
    „Wie heißt er?" fragte Delaney. „Vielleicht bekomme ich heraus, was da vorgeht."
    „Modell", sagte sie. „Irving Modell. Und ich bin Rhoda Modell. Wir haben vier Kinder und sechs Enkel."
    „Ich will versuchen, was zu erfahren." Delaney nickte ihr zu.
    Abermals wandte er sich an die Schwester, doch sie hatte sein Gespräch mit der Frau mitbekommen.
    „Hoffnungsloser Fall", sagte sie leise. „Nur noch ein paar Stunden. Höchstens bis zum Morgen. Er wurde aufgemacht und gleich wieder zugenäht."
    Er nickte und warf einen Blick auf die Uhr. War die Zeit denn so schnell gelaufen? Es war schon nach Mitternacht.
    „Was ich gern wüßte..." begann er, wurde aber von einem Polizisten unterbrochen.
    „Captain Delaney?"
    „Ja."
    „Da ist ein Reporter an der Tür. Ein gewisser Handry. Er behauptet, Sie..."
    „Ja, ja."
    Delaney ging mit ihm zurück. Die Tür wurde weit genug aufgemacht, damit Handry ihm eine verknitterte braune Tüte hereinreichen konnte.
    „Danke", sagte Delaney und griff nach seinem Portemonnaie, doch Handry schüttelte abwehrend den Kopf und drehte sich um.
    Verstohlen warf er einen Blick in die Tüte: eine fast noch volle Halbliterflasche Bourbon-Whisky. Delaney nahm einige Pappbecher von

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