Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
Mal sein«, warf Stoddart barsch ein.
»Ja, Sie haben Recht – aber es war wunderbar.«
»Hören Sie mir zu, Sheila Grant«, sagte Stoddart. »Ich bin Arzt und weiß, wovon ich rede. Wenn Sie einmal mit Drogen anfangen, werden Sie in eine unglaubliche Misere geraten. Ich habe genügend Fälle gesehen und weiß es. Drogen richten die Menschen körperlich und seelisch zugrunde. Trinken ist ein Kinderspiel dagegen. Machen Sie Schluss damit. Glauben Sie mir, es ist kein Spaß! Was, glauben Sie, würde Ihr Vater sagen, wenn er die Geschichte von heute Nacht wüsste?«
»Vater?« Sheila Grants Stimme wurde schrill. »Vater?« Sie begann zu lachen. »Ich sehe Vaters Gesicht vor mir! Er darf nichts davon erfahren. Er würde toben!«
»Und mit vollem Recht«, sagte Stoddart.
»Doktor – Doktor – «, jammerte Mrs Grace in dem anderen Zimmer.
Stoddart brummte etwas wenig Schmeichelhaftes und ging hinaus.
Sheila Grant starrte Poirot wieder an. Sie zerbrach sich offenbar den Kopf.
»Wer sind Sie eigentlich? Sie waren nicht auf der Party?«
»Nein, ich war nicht auf der Party. Ich bin ein Freund von Dr. Stoddart.«
»Sind Sie auch Arzt? Sie sehen nicht so aus.«
»Mein Name«, erklärte Hercule Poirot und verstand es wie immer, die einfache Feststellung klingen zu lassen wie die letzten Worte im ersten Akt eines Theaterstückes, knapp bevor der Vorhang fällt, »mein Name ist Hercule Poirot…«
Die Feststellung verfehlte nicht ihre Wirkung. Zuweilen musste Poirot schmerzlich erfahren, dass eine oberflächliche jüngere Generation nie von ihm gehört hatte.
Aber es war klar, dass Sheila Grant schon von ihm gehört hatte. Sie war entgeistert – sprachlos. Sie sperrte die Augen auf.
Es wird mit Recht oder Unrecht behauptet, dass jedermann eine Tante in Torquay hat.
Es wird auch behauptet, dass jedermann wenigstens einen Vetter zweiten Grades in Mertonshire hat. Mertonshire liegt in einer vernünftigen Entfernung von London, man kann dort reiten, jagen und fischen; es hat einige sehr malerische, vielleicht allzu kulissenhafte Dörfer, es hat gute Eisenbahnverbindungen und eine neue Straße, die das Autofahren von und nach London erleichtert. Dienstboten weigern sich weniger heftig dorthin zu gehen als in andere ländliche Distrikte der Britischen Inseln.
Daher ist es so gut wie unmöglich, in Mertonshire zu leben, wenn man kein vierstelliges Einkommen hat, und mit der Einkommensteuer und allem Drumherum ist ein fünfstelliges noch besser.
Hercule Poirot hatte als Ausländer keinen Vetter zweiten Grades in der Grafschaft, aber er hatte sich im Lauf der Zeit einen großen Freundeskreis geschaffen, und es fiel ihm nicht schwer, sich in dieser Gegend einladen zu lassen. Er hatte sich überdies eine liebenswürdige Dame als Gastgeberin gewählt, deren größtes Vergnügen es war, ihre Zunge an ihren Nachbarn zu wetzen – der einzige Nachteil war, dass Poirot sehr viel Geklatsch über Leute über sich ergehen lassen musste, die ihn gar nicht interessierten, ehe man auf die Leute zu sprechen kam, die ihn tatsächlich interessierten.
»Die Grants? O ja, es sind vier Töchter. Kein Wunder, dass der arme General nicht mit ihnen fertig wird. Was soll auch ein Mann mit vier Mädchen anfangen?« Lady Carmichael schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
Poirot murmelte: »Ja, wirklich.«
Die Dame fuhr fort:
»Er hat in seinem Regiment streng auf Zucht und Ordnung gehalten, sagte er mir. Aber gegen diese Mädchen kommt er nicht auf. In meiner Jugend war das anders. Der alte Oberst Sandys war so streng, dass seine unglücklichen Töchter – «
(Langer Exkurs über die Leiden der Sandys-Mädchen und anderer Jugendfreundinnen von Lady Carmichael.)
»Wissen Sie«, sagte Lady Carmichael, auf das frühere Thema zurückkommend, »ich sage nicht, dass diese Mädchen etwas wirklich Unrechtes tun. Sie sind nur ausgelassen – und in schlechte Gesellschaft geraten. Es ist hier nicht mehr, wie es war. Die sonderbarsten Leute kommen hierher. Von den guten alten Familien ist niemand mehr da. Heutzutage ist alles nur Geld, Geld, Geld. Und man hört die merkwürdigsten Geschichten! Wen, sagen Sie? Antony Hawker? O ja, ich kenne ihn. Ein ausgesprochen unsympathischer junger Mann. Aber offenbar schwimmt er in Geld. Er kommt hierher, um zu jagen – und er gibt viele Partys – sehr splendide – und auch sehr merkwürdige, wenn man alles glauben soll, was gesagt wird – nicht dass ich das täte, ich finde, die Leute sind so übel
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