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Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules

Titel: Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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atemloser als sonst. Sie nippte an ihrem Tee und zerbröckelte einen Kuchen zwischen den Fingern.
    Poirot hatte einige Fragen gestellt, auf die sie einsilbig geantwortet hatte.
    »Wie viele Leute werden bei dem Fest sein?«, hob er nun an.
    »Ich glaube, hundertzwanzig. Emmeline ist natürlich da und Mr Cole – er war in letzter Zeit wirklich höchst eigentümlich – ich hoffe, ich hoffe sehr, dass er nicht verrückt ist. Dann werden eine Menge neue Mitglieder da sein – fast zwanzig.«
    »Gut. Sie wissen, was Sie zu tun haben?«
    Es entstand eine kleine Pause, ehe Miss Carnaby mit einer etwas sonderbaren Stimme sagte:
    »Ich weiß, was Sie mir gesagt haben, Monsieur Poirot…«
    »Très bien!«
    Dann sagte Amy Carnaby laut und vernehmlich:
    »Aber ich werde es nicht tun.«
    Hercule Poirot starrte sie an. Miss Carnaby erhob sich. Ihre Stimme klang fast hysterisch:
    »Sie haben mich hierher geschickt, um Dr. Anderson nachzuspionieren. Sie haben ihn verschiedener Dinge verdächtigt. Aber er ist ein prachtvoller Mensch – ein großer Meister. Ich glaube mit Herz und Seele an ihn! Und ich werde nicht mehr Ihre Spionin sein, Monsieur Poirot! Ich bin eines der Schafe des Hirten. Der Meister hat eine neue Botschaft an die Welt, und von nun an gehöre ich mit Leib und Seele ihm. Und ich bezahle meinen Tee selbst, bitte.«
    Mit diesem leichten Kontrast zu ihrer hochtrabenden Tirade warf Miss Carnaby einen Shilling und drei Pence auf den Tisch und stürzte aus dem Laden.
    »Nom d’un nom d’un nom«, murmelte Hercule Poirot.
    Die Kellnerin musste ihn zweimal fragen, ehe er begriff, dass sie ihm die Rechnung präsentierte. Er begegnete dem forschenden Blick eines mürrisch aussehenden Mannes am Nebentisch, errötete, bezahlte die Rechnung und ging hinaus.
    Er dachte angestrengt nach.
     
    Wieder einmal waren die Schafe in dem Geheiligten Pferch versammelt. Die rituellen Fragen und Antworten waren heruntergeleiert worden.
    »Seid ihr auf das Sakrament vorbereitet?«
    »Wir sind es.«
    »Verbindet eure Augen und streckt den rechten Arm vor.«
    Der Große Hirte, prachtvoll in seinem grünen Gewand, schritt die Reihen der Wartenden entlang. Der Kohl fressende, Visionen sehende Mr Cole, neben Miss Carnaby, stöhnte vor schmerzlicher Wonne, als die Nadel sein Fleisch durchbohrte.
    Der Große Hirte stand vor Miss Carnaby. Seine Hände berührten ihren Arm…
    »Halt! Nichts da…«
    Unfassbare – beispiellose Worte. Ein Handgemenge, ein Wutgebrüll. Grüne Schleier wurden von den Augen gerissen, um einen unglaublichen Anblick zu sehen – Mr Cole, im Schafspelz, von einem anderen Gläubigen unterstützt, hatte den Großen Hirten gepackt, der sich verzweifelt wehrte.
    In fließendem Polizeijargon sagte der frühere Mr Cole:
    »Und ich habe hier einen Haftbefehl gegen Sie. Ich muss Sie warnen, dass alles, was Sie sagen, vor Gericht als Beweis gegen Sie verwendet werden kann.«
    Jetzt standen auch andere Gestalten an der Tür des Geheiligten Pferches, blau uniformierte Gestalten.
    Jemand schrie: »Die Polizei! Es ist die Polizei! Sie führen den Meister ab. Sie führen den Meister ab…«
    Alles war erschüttert – entsetzt… Für sie war der Große Hirte ein Märtyrer, der an der Unwissenheit und Verfolgung der Außenwelt litt, wie alle großen Meister…
    Inzwischen packte Detektivinspektor Cole vorsichtig die Injektionsspritze ein, die dem Großen Hirten aus der Hand gefallen war.
     
    »Meine wackere Kollegin!«
    Poirot schüttelte Miss Carnaby wärmstens die Hand und stellte sie Oberinspektor Japp vor.
    »Erstklassige Arbeit, Miss Carnaby«, lobte Oberinspektor Japp. »Wir hätten es ohne Sie nicht machen können. Das ist die reine Wahrheit.«
    »Du liebe Zeit!« Miss Carnaby barst beinahe vor Stolz. »Es ist zu gütig von Ihnen, das zu sagen. Und wissen Sie, eigentlich habe ich die ganze Sache genossen. Die Aufregung – und meine Rolle zu spielen. Manchmal war ich direkt hingerissen und glaubte wirklich, eines dieser närrischen Frauenzimmer zu sein.«
    »Das war das Geheimnis Ihres Erfolges«, meinte Japp. »Sie wirkten wie ein unverfälschtes Exemplar. Nichts anders hätte diesen gerissenen Gauner hereingelegt!«
    Miss Carnaby wandte sich an Poirot:
    »Das war ein schrecklicher Augenblick in der Konditorei. Ich wusste mir keinen Rat. Ich musste der ersten Eingebung folgen.«
    »Sie waren großartig«, sagte Poirot warm. »Einen Augenblick dachte ich, dass entweder Sie oder ich den Verstand verloren hätten. Eine Minute

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