Die Erwaehlten
Bixby seltsam ist“, sagte er. „Und nicht nur irgendwie – ziemlich. Es ist nicht bloß das Wasser. Oder die Schlangengrube oder all die anderen verrückten Gerüchte. Es ist …“
„Was?“
„Bixby ist echt … psychosomatisch.“
„Bixby ist wie ?“,fragte sie. „Heißt das nicht ,nur in deiner Einbildung‘ oder so?“
„Klar. Wie wenn du dich krank fühlst, aber eigentlich ist dein Körper okay. Dein Geist hat die Macht, dich krank zu machen. So ist ganz Bixby: psychosomatisch. Die Sorte Stadt, von der man seltsame Träume kriegt.“
Jessica hätte sich fast an einer Gabel Tacosalat verschluckt.
„Hab ich was Falsches gesagt?“, fragte Jonathan.
„Hm-hm“, war alles, was sie hervorbrachte, dann räusperte sie sich. „Die Leute sagen dauernd Sachen, die keinen …“ Jess zögerte. „Die zu viel Sinn machen.“
Jonathan sah sie aufmerksam an, wobei sich seine Augenlider noch tiefer senkten.
„Zugegeben, das hört sich vielleicht ein bisschen bescheuert an“, meinte Jessica. „Aber manchmal kommt es mir so vor, als ob die Leute hier in Bixby wüssten, was in meinem Kopf vor sich geht. Oder zumindest eine Person. Da ist dieses Mädchen – meistens redet sie wirres Zeug, und wenn nicht, kommt sie mir so vor, als würde sie meine Gedanken lesen.“
Jessica fiel auf, dass Jonathan aufgehört hatte zu essen. Er sah sie eindringlich an.
„Höre ich mich bescheuert an?“, fragte sie.
Er zuckte mit den Schultern. „In Philadelphia, da hatte ich einen Freund, Julio, der immer, wenn er fünf Mäuse übrig hatte, zu dieser Hellseherin ging. Sie war eine alte Frau, die im Stadtzentrum in einem Laden lebte und sogar eine violette Neonhand im Schaufenster hatte.“
Jessica lachte. „In Chicago hatten wir solche Handleserinnen auch.“
„Sie hat aber nicht aus der Hand gelesen oder in eine Kristallkugel geblickt“, sagte Jonathan. „Sie hat bloß geredet.“
„Konnte sie wirklich hellsehen?“
Jonathan schüttelte seinen Kopf. „Glaub ich nicht.“
„Du glaubst nicht an solche Sachen?“
„Na ja, so weit wie sie würde ich nicht gehen.“ Jonathan biss ab, redete aber weiter. „Ich bin einmal mit Julio mitgegangen, um zuzusehen, und ich glaube, ich habe rausgekriegt, wie das lief. Die Frau machte ein paar seltsame, zufällige Bemerkungen, eine nach der anderen, bis Julio an irgendeiner Stelle was einfiel, und seine Augen zu leuchten anfingen. Dann pulte sie in der gleichen Richtung weiter, bis er anfing zu reden und ihr alles erzählte. Seine Träume, worüber er sich Sorgen machte, egal was. Er glaubte, sie würde seine Gedanken lesen, aber sie brachte ihn nur dazu, ihr zu erzählen, was in seinem Kopf vorging.“
„Hört sich nach einem schlauen Trick an.“
„Ich weiß nicht, ob es nur ein Trick war“, sagte Jonathan. „Ich meine, Julio schien sie wirklich zu helfen. Wenn er irgendwas Dämliches vorhatte, hörte er auf niemand anderen, nur sie konnte ihn immer zur Vernunft bringen. Zum Beispiel hatte er sich mal vorgenommen, von zu Hause abzuhauen, und da war sie es, die ihm die Sache ausgeredet hat.“
Jessica legte ihre Gabel beiseite. „Also hat sie ihn nicht bloß ausgenommen.“
„Na ja, das Komische daran ist, ich bin mir nicht sicher, ob sie wusste, was sie tat. Vielleicht war alles Instinkt, und sie glaubte wirklich, sie hätte übersinnliche Fähigkeiten, wer weiß? Aber eigentlich hatte sie keine übersinnlichen Fähigkeiten, sondern psychosomatische.“
Jessica lächelte und schob sich nachdenklich eine Gabel Salat in den Mund. Die Frau, die Jonathan beschrieben hatte, hörte sich ziemlich nach Dess an. Wegen der seltsamen, eindringlichen Fragen und beiläufigen Bemerkungen, die sie immer total selbstbewusst vortrug, hätte Jessica beinahe geglaubt, dass Dess über irgendwelche speziellen Kräfte verfügen würde. Auf jeden Fall hatte sie sich so weit täuschen lassen, dass sie ihr unheimlich wurde. Vielleicht bildete sie sich alles nur ein. Wenn Jessica glaubte, dass Dess über besondere Kräfte verfügen würde, dann wurde es in gewisser Weise auch wahr.
In jedem Fall kam Psycho bei Dess von psychosomatisch.
„Es kann also sein“, fuhr Jonathan fort, „dass dieses Mädchen, das du kennst, gar nicht verrückt ist. Vielleicht hat sie eine andere Art zu kommunizieren, aber sie hat vielleicht etwas Wichtiges zu sagen.“
„Kann sein“, gab Jessica zu. „Aber was es auch ist, mir wäre es irgendwie lieber, wenn sie es einfach sagen
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