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Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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Haus!“, schrie die Frau mit einer Stimme, die mächtiger als ihr dünner Körper war.
    „Ist ja schon gut.“ Jess trat in die Pedale.
    „Und komm heut Nacht auch nicht wieder!“, schallte ein letzter Ruf hinter ihr her.
    Heute Nacht wiederkommen? ,fragte sich Jessica während der Fahrt. Was hatte die alte Frau damit gemeint?
    Jessica schüttelte ihren Kopf und sah auf ihre Uhr. Die Kerben im Baum bewiesen, dass es die geheime Stunde wirklich gab. Sie musste akzeptieren, dass gestern Nacht wirklich etwas versucht hatte, sie umzubringen. Und sie musste herausfinden, wie sie sich schützen konnte, bevor die blaue Zeit wiederkam.
    Jessica radelte schnell in Richtung Innenstadt.
    Sie hasste es, wenn sie zu spät kam.

Pfeilspitzen
    11.51 Uhr vormittags
    12
    Als sie sich der Innenstadt von Bixby näherten, spürte Rex, wie das Auto langsamer wurde. Er warf einen Blick auf Melissa, deren Hände das Lenkrad umklammerten.
    „Wird schon werden, Cowgirl“, murmelte er. Er versuchte, an etwas Beruhigendes zu denken, in der Hoffnung, dass es helfen würde.
    Eine richtige Innenstadt wie in Tulsa oder Dallas gab es eigentlich nicht. Nur eine Hand voll fünf- oder sechsstöckiger Gebäude, darunter das Rathaus, die Bibliothek und ein paar Bürogebäude. An einem Samstag waren die Arbeitsstätten verlassen. Ein paar Menschen würden sich in den teuren Läden auf der Main aufhalten und für die Erstvorstellungen im restaurierten Kino aus den Fünfzigern Schlange stehen. Das war so ziemlich alles.
    Voll oder nicht voll, die Innenstadt befand sich genau in der Mitte von Bixby, umringt von Wohngebieten. Als sie näher kamen, wurden sie von den am dichtesten besiedelten Gegenden der Stadt eingekreist. Das war nicht annähernd so schlimm wie Schule, trotzdem brauchte Melissa immer eine Weile, um mit den zunehmenden Hirnmassen fertig zu werden.
    Kurz darauf entspannten sich ihre Hände am Lenkrad.
    Rex atmete tief durch und lehnte sich auf seinem Sitz zurück. Er sah angestrengt aus dem Fenster, nahm seine Brille ab, um nach Zeichen zu suchen.
    Es gab sie. Massenweise.
    Normalerweise war so weit von den Badlands entfernt alles ziemlich sauber. Ohne seine Brille hätte die Stadt für ihn eigentlich wie eine einzige große, vertraute Nebelschwade aussehen müssen. Rex entdeckte aber überall Besuchszeichen – ein Haus, das seltsam scharf aus der Umgebung hervorstach, ein Straßenschild, das er ohne Brille problemlos entziffern konnte, eine Gleitspur über die Straße, auf der der Fokus glänzte, die scharfen Kanten, die Berührung durch nichtmenschliche Hände offenbarten.
    Oder durch Krallen. Oder durch sich schlängelnde Leiber.
    Die Zeichen der Midnight waren hier, wo sie nicht sein sollten, näherten sich schleichend dem Kern der Innenstadt. Rex fragte sich, was die Darklinge und ihre kleinen Freunde vorhatten. Wollten sie ihre Grenzen austesten? Wurden sie zahlreicher? Interessierten sie sich plötzlich für das Menschengeschlecht?
    Oder suchten sie etwas?
    „Was glaubst du, was sie für eine ist, Rex?“, fragte Dess vom Rücksitz.
    „Was für ein Talent?“ Er zuckte mit den Schultern. „Könnte alles sein. Vielleicht noch ein Universalgenie.“
    „Kaum“, antwortete Dess. „Ich sitze in Trig neben ihr, denk dran. Ein hoffnungsloser Fall. Sanchez musste ihr in dieser Woche dreimal die Bogenmaße erklären.“
    Rex fragte sich, was Bogenmaße waren. „Trigonometrie gehört eigentlich nicht unbedingt zur Lehre, Dess.“
    „Wird es eines Tages“, meinte Dess. „Früher oder später muss aus der Arithmetik die Luft raus sein. Wie beim Obsidian.“
    „Das dauert dann aber noch eine ganze Weile“, antwortete Rex. Jedenfalls hoffte er das. Trigonometrie war auch nicht sein Fall. „Egal wie, Jessica ist gerade erst hier angekommen. Es könnte eine Weile dauern, bis sie ihr Talent entdeckt.“
    „Ach was“, sagte Dess. „Ihr beiden habt mich aufgespürt, als ich elf war, weißt du noch? Zu der Zeit haben sich Mom und Dad ihre Steuererklärung von mir machen lassen. Jessica ist fünfzehn und kommt mit Trig an der Highschool nicht klar? Die ist im Leben kein Universalgenie.“
    „Gedankenleserin ist sie auch nicht“, ergänzte Melissa.
    Rex sah seine alte Freundin an. Im Gegensatz zu dem verschwommenen Armaturenbrett und dem vorbeiziehenden Hintergrund war Melissas Gesicht für ihn in perfekter Midnighterschärfe zu erkennen. Sie blickte grimmig drein und klammerte sich wieder fest ans Lenkrad, als ob der alte Ford an

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