Die Erwaehlten
hatte. In jenen ätzenden Minuten nach der geheimen Stunde würde ihm sogar das Atmen schwerfallen.
Ein bekanntes klaustrophobisches Gefühl überkam ihn. Er war hier in der normalen Zeit gefangen. Von den Cops gefangen, von der Sperrstunde in Bixby, von der erdrückenden, unausweichlichen Decke der Gravitation. Stecken geblieben wie ein Insekt im Klebstoff.
Jonathan konnte nur eins tun. Er drückte Jessicas Hand.
Die Türen des Streifenwagens öffneten sich, und ein Leuchtkegel blitzte auf, der in seinen Augen brannte. Er schwenkte herum und bedeckte sein Gesicht mit seiner Hand.
„Meinst du, du kannst untertauchen, Martinez?“, rief eine dunkle Stimme lachend. „Ich erkenne deine hübsche Visage.“
Jonathans Herz sank, trotzdem bemühte er sich, seiner Antwort einen tapferen Unterton zu geben. „Machen Sie das Ding aus, St. Claire. Wir gehen nirgendwohin.“
Er hörte Stiefel knirschen, dann spürte er, wie sich die Hand von Sheriff Clancy St. Claire auf seine Schulter legte. Sie fühlte sich wie ein haariger Bleiklumpen an, der sich an Jonathan festkrallte und ihn in den Treibsand drückte, zu dem der Boden unter ihm geworden war.
„Jonathan Martinez, deine Worte sind niemals wahrer gewesen.“
„He, Clancy, was glaubst du, wo Martinez eine Freundin aufgetrieben hat?“, rief eine zweite Stimme vom Auto.
„Tja. Das ist mir ein Rätsel.“ Dann wurde die Stimme von St. Claire weicher. „Menschenskind! Was ist mit dir passiert, Mädchen?“
Jonathan gelang es, die Augen zu öffnen und dem Leuchten entgegenzublinzeln. Jessica sah verwirrt und angeschlagen aus, mit leichenblassem Gesicht im Scheinwerferlicht. Ihre Jeans hatten Gras- und Blutflecken an den Knien, ihre Haare waren wild zerzaust.
„Ich bin hingefallen“, erklärte sie schwach.
„Du bist hingefallen? Das ist nicht zu übersehen.“ Jonathan spürte, wie die Hand des Sheriffs an seiner Schulter fester zupackte. „Ich glaub nicht, dass wir uns kennen, Kleine.“
„Jessica Day.“
„Und wie alt bist du?“
„Fünfzehn.“
„Nun, Jessica Day, ich vermute, dass deine Eltern nicht wissen, wo du bist?“
Der Lichtstrahl ging aus, und Jonathan konnte in der plötzlichen Schwärze für kurze Zeit nichts sehen. Er hörte, wie Jessica der Atem stockte, während sie nach einer Lösung suchte, wie sie der Frage ausweichen könnte. Ihre Stimme hörte sich geschlagen an, als sie schließlich antwortete.
„Nein. Sie glauben, ich liege zu Hause im Bett.“
„Nun, Kleine, genau da solltest du wahrscheinlich auch sein.“
Sie setzten Jessica in den Fond des Streifenwagens, während St. Claire über Funk mehr Cops anforderte, auf die sie dann warteten. Die Polizei von Bixby setzte gern überwältigend viele Leute ein, wenn sie was zu erledigen hatte.
Jonathan hätte gern mit Jessica geredete, wenigstens für ein paar Minuten. Er wollte ihr erklären, dass das hier eigentlich keine große Sache war. Die Cops nahmen einen einfach mit nach Hause und weckten die Eltern. Er hatte die Prozedur in den vergangenen zwei Jahren sieben Mal hinter sich gebracht, und es war nichts Schlimmeres passiert. Sein Dad war dann ein paar Tage lang schlechter drauf als üblich, doch er hatte ihm zu viele Geschichten über seine eigenen wilden Zeiten erzählt, um langfristig auf seinen Sohn sauer sein zu können.
„Dad, mich haben sie noch nie festgenommen, nur verwarnt und in deine Obhut zurückbefördert.“ Das waren die magischen Worte. Sein Dad konnte das von sich nicht behaupten.
Jonathan hatte allerdings den Eindruck, dass Jessica noch nie in einem Streifenwagen transportiert worden war. Sie saß verloren und reglos auf dem Rücksitz, hatte den Kopf in die Hände gelegt und sah nicht zu ihm herüber.
Es war übel, hier am Boden festzusitzen und nicht mit ihr wegflitzen zu können. Sie hatten die Verfolgung der drei größten Darklinge seines Lebens überstanden, um sich jetzt von einem Blödmann wie St. Claire schnappen zu lassen. Er kam sich hilflos vor. Und schlimmer noch, er fühlte sich schuldig, als ob er Jessica noch einmal fallen gelassen hätte. Drei Mal in einer Nacht.
Es war so wunderbar gewesen, bevor die Darklinge aufgetaucht waren. Noch nie hatte ihm Fliegen mit jemandem so viel Spaß gemacht. Jessica schien instinktiv zu wissen, wie sie springen musste, als ob sie selbst eine Akrobatin wäre. Als ob sie miteinander verbunden wären. Der Gedanke, dass sie nie wieder zusammen fliegen könnten, fühlte sich wie ein Eisklumpen in
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