Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
über die Ebene bewegte, wie ein Fahrer mit Bleifuß auf einem langen, geraden Highway. Der Wind blies stetig aus der gleichen Richtung durch ihr ungefüttertes Jackett hindurch. Wenigstens waren ihre Füße warm. Constanza hatte ihr Schuhe mit Absätzen borgen wollen, aber sie hatte auf einem alten, zuverlässigen Paar Stiefel bestanden, von dem sie hoffte, dass es schlangensicher war.
    Jessica zog ihre Jacke fester um sich. Als sie nach oben sah, wurden ihre Augen groß vor Staunen. Am Himmel über Chicago hatte sie nie so viele Sterne gesehen. So weit weg von den Lichtern der Stadt schien es Millionen zu geben. Zum ersten Mal konnte Jessica sehen, wie die Milchstraße zu ihrem Namen gekommen war. Wie ein weißer Fluss wand sie sich von Ost nach West (sie hatte auf ihren Kompass gesehen, als sie aus dem Auto ausgestiegen waren), voller leuchtender Sterne und weicher Lichtwirbel.
    „ Brr. Es ist praktisch schon Winter“, sagte Constanza. „Komm mit. Wärmen wir uns auf.“
    Wenige Kilometer zuvor waren sie von der Straße abgebogen und mitten über das Seebett gefahren, was sich wie eine Fahrt über einen riesigen Parkplatz angefühlt hatte. Constanza hatte sich an einem flackernden Licht orientiert und schließlich angehalten, wo bereits etwa ein Dutzend PKWs und Pickups in einer unordentlichen Reihe parkten. Dreihundert Meter weiter hatte sich eine Personengruppe um ein Lagerfeuer versammelt. Um die flache Grube lagen Steine im Kreis, denen man ansah, dass sie bereits mehrere Feuer hinter sich hatten. Jemand hatte Anzündmaterial aufgehäuft, außerdem ein paar Baumstümpfe, und der Rest sah nach kaputten Möbeln aus. Das Feuer fing erst an zu brennen, knackte und zischte vom frischen Holz.
    Jessica folgte Constanza zum Feuer.
    Ein großer Funken knallte und flog hoch in die Luft, wo ihn der Wind davon trug. Die Menge lachte, als das brennende Projektil wild durch die Wüste hüpfte, bis es wenige Sekunden später verglühte. Musik spielte aus einem kleinen CD-Spieler, der auf der Erde stand.
    „Ist das nicht genial?“, meinte Constanza.
    „Bestimmt.“ Die Nacht war wunderbar, das musste Jessica zugeben, und dramatisch. Sie wünschte sich, das Lagerfeuer und der Wüstenhimmel wären die einzigen Dramen, die ihr heute Nacht bevorstanden.
    „Hallo, Constanza.“ Ein Junge löste sich aus der Menge.
    „Hallo, Rick. Wie geht’s? Das ist meine Freundin Jess.“
    „Hallo, Jill.“
    „Hi, Rick. Eigentlich heiße ich Jessica.“
    „Logo. Komm, dann kriegst du was vom Feuer ab.“
    Sie drängten sich um die Feuerstelle. Jessica nahm ihre Hände aus den Taschen, um sie aufzuwärmen. Rick bot beiden Bier in Plastikbechern an, und Jessica lehnte dankend ab. Weitere Autos trafen ein, deren Passagiere mehr Holz für das Feuer anschleppten. Kaputte Stühle, vertrocknete Äste, einen Stapel alter Zeitungen, von dem sich mehrere Seiten gleichzeitig entzündeten und von der heißen Luft zum Himmel hinaufgetragen wurden. Jemand brachte ein Stoppschild mit, das an einem Betonfuß hing, und alle lachten und applaudierten, als es im Feuer landete und schwarz wurde. Jessica hoffte, dass niemand wegen dieser Party einen Unfall erleiden musste. Constanza amüsierte sich, aber Jessica kam sich hier zu jung vor, als ob jederzeit jemand nach ihrem Ausweis fragen und sie rauswerfen könnte.
    Sie sah auf ihre Uhr: 11.45 Uhr. In fünf Minuten wurde es Zeit, sich auf ihren Spaziergang zu machen. Dess hatte gesagt, dass die Schlangengrube nur fünf Minuten entfernt wäre, aber sie fand die Vorstellung, zu spät zu kommen, so schrecklich, dass sie gar nicht erst daran denken wollte. Sie wollte sicher in der Schlangengrube angekommen sein, bevor die blaue Zeit einfiel.
    Jessica rieb sich nervös die Hände, der Gedanke, das wärmende Feuer zu verlassen und sich allein in der Wüste aufzuhalten, freute sie nicht. Sie zitterte, wobei ihr auffiel, dass ihre Vorderseite bereits gegrillt war, während der Rücken fror. Jessica drehte sich um und sah in die Wüste hinaus. Das Feuer in ihrem Rücken fühlte sich wie ein warmer Pelzmantel an, und sie seufzte.
    „Du bist ziemlich still.“
    Jess blinzelte. Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie die Gestalt eines Jungen, der vor ihr stand.
    „Kann schon sein. Ich kenne hier nicht so viele Leute.“
    „Du bist eine Freundin von Liz und Constanza?“
    „Genau, Jessica.“
    „Tag, Jessica. Ich heiße Steve.“
    Jetzt konnte Jessica das Gesicht des Jungen erkennen,

Weitere Kostenlose Bücher