Die Erzaehlungen 1900-1906
zu leben.
Worauff ich gantz gut genaß, u. sehr frölich war, auch denen Niederlendern
gar gerne halff, u. Arbeit taht, auch spehter mein theueres Weib, so damahlen eine Wittib war, geheurahtet. War ein reicher Mann auß mir geworden, u.
besaß ein Hauß, u. Acker, u. Waideland, u. zwey hundert africanische Schaafe, weiße u. schwartze.
So bald ich nun bey so erklecklichen Wolstande gelangt war, u. war schon
zuvor ein leuchtsinniger Bruder gewest, verfürete mich allso bald der Teuffel, u. fihl allmälig in grossen HochMuth, Freßen u. Sauffen, wolte wol leben, u.
wenig arbeiten, Summa war nichts alß Lust, u. Lermen, u. fröliges leben.
Hatte gute Freunde genug, u. nur mein Weib blikkte scheel darzu, sties mich
offtmalen an, u. sagte, du Fauler u. Bösewicht, sihe bald hohlt dich der Satan, u. mußt verbrennen. Hörte aber nicht darauff. War so gar zornig, u. bette sie geschlagen, förchtete sie aber zu sehr. Sie war über maaßen starck u. ämsig, bettete immer zu Gott, u. seuffzete jeden Tag, besorgte das gantze Wesen mit 275
Treue, war doch umsonsten, dan alles ward vertahn, u. verzeert. HErr, HErr,
verzeye mir in Deiner grossen Gnade, amen.
Maaßen das Weib verstendig genug war, u. keinen anderen Troost erfand,
begieng sie amende eine kluge Lißt, wie ich hernacher so gleich erzehlen
will. Nehmlich an einem Abend aß, u. tranck ich, mit zwey oder drey gu-
ten Brüdern, wie schon offt, u. war nichts, alß Lust, u. Gesang, u. Gelechter im Hauß, gierig auch späht in mein Bette, war ein wenig truncken, u. schlieff so feßt, wie kein Fleissiger. Deßhalben ich ohnmaaßen erschröckte, alß mich
gegen den Morgen einer herauß zog, u. fieng an, laut zu schreyen. Aber mein
Weib kam herein, u. sagte, sey nur ruhig, es geschiht Alles mit meinem Wil-
len. Dastanden vier starcke Männer, die zogen mir meine Kleider an, alles
mit der eussersten Schnelle, schleppten mich hinauß, u. sezzten mich auff ein Waagen, wurde so gleich angebunden, u. war in einer grossen Todes Angst,
fragte kläglich, was mit mir geschähe. Mein gutes Weib weinte u. sagte mit
Schmertzen, du mußt nun abschiedt nemen. Nam abschiedt, küsste sie mit
lautem Weinen. Die Männer stiegen nebenst mir auf den Waagen, gaben mir
keine Antwortt. Und fuhren im schnellesten Trapp in den Haaffen, entband-
ten mich von der Bankk, brachten mich auff ein niederlendisches Schiff, gaben mich dem Haubtmann. Sie stekkten mir ein Brieff in die Hand, schryen adieu,
giengen an das Land zurück. Ich wolte schnelle nach, aber wurde feßt gehalten, u. blieb in grossem Elende auff dem Schiff. Spähter wurde noch für mich eine kleine Kißte gebracht, u. eine Stunde nach mittag geschah ein Schuss, u. wir lieffen in die See.
Alßbald kamen die Leute, namen mich, u. mußte Dienste tuhn, war ein
Matrose auß mir geworden, dergleichen ich in jungen Jahren schon gewesen,
u. hatte nie gedacht nochmalen einer zu werden. Diser Tag, welcher mir der
traurigste in meinem Leben zu seyn dünckte, war der 23. Maymonaths, im Jar
sechszehnhundert 58. Bald erfur ich von meinen Kameraden, daß das Schiff, so auß ihrem Vatterland her gekommen, nacher Batavia bestimmt sey. Wir hatten
vatterlendische Wahren an Bort, u. mehrerley Herrschafften, welche zum theil reisslustige, oder auch gelehrte Herren u. Doktores waren, war auch Mr. Walter Schultz auß Amsterdam dabey, ein Artzt, u. gelehrter Herr, welchem spehter
mein Leben dancken dorfte.
Kaum daß ich eine freye Stunde hatte, so nam ich meinen Brieff, darauff
stand,
an meinen lieben u. werthen Ehe-Herrn, Herrn Anton Schievelbeyn .
Aber innen dem Brieffe stand allso:
Du mußt jetzo abschiedt nemmen, was
mich gar betrübt, kann aber nicht anderst. Mit Freßen u. Wollust ist kein
Christlich leben, u. musstest bald zur Hellen faren. Dises soll nicht seyn, u.
habe dich diserhalb auff ein Schiff geschikkt, daß du nüchtern wirst, u. wider arbeitten lernst. Mit Gottes Hülffe magstu wider gut werden, u. mit großen
Freuden heymkehren. Bette fleyssig, u. schreibe mir ein Brieff, wann du nacher 276
Batavien kömmst!
So sah ich dann wol, daß ich von meinem Weibe war überlistet worden.
Dieß gefihl mir nicht, u. fluchte ihr, u. beschloss nicht wider heym zu faren, sondern beschloss in frembde Gegenden zu reißen, u. daselbsten zu bleyben,
so lang es mir gefallen mögte. Verstokte allso mein Hertz, u. war guter Dinge, u. nur der schweere Dienst war mir unlieb, u. widerwertig. Darauff schloss ich Freundschaft
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