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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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ihnen begegent, u. bringen offt viele um, werden alßdann geredert. Dan die Justitz leydet solche Gottlose Unsinnigkeit nicht.
    Nun gedachte ich, was in meinem Brieffe stand, daß ich nehmlich von Ba-
    tavia einige Nachricht meinem Weibe sollte schikken. Trug auch ihren Brieff
    stäts bey mir, mogte aber nicht schreiben, zürnte ihr noch immer, u. gedach-
    te sie gantz zu verlaßen. Je mehr ich an mein, früher gehabtes, ergetzliches Wolleben zurükk gedachte, je schlimmer gefihl mir die Lißt, daß sie mich
    mit Gewalt fortgebracht hatte. Demnach begab ich mich in ein Hauß, allwo-
    selbst viele See-Leute auß mehrerley Lendern, wohnen, u. ein faulles Leben
    füren, fand daselbst Hollender, Teutsche, u. Frantzosen. Soffort ward ich gutt auff genommen, u. feelte mir an nichts, war auch bald der lustigste von Allen. Spiehlen, Lermen u. Trincken war jeden Tag, gab auch Weibs-Persohnen,
    Tantz u. viele Freuden aller Art; kamen Indianer, u. Sineser, mit Saitten-Spihl, u. Wunder seltzahmen Täntzen, so wie Comoedie, alles auff’s Beßte gezihret,
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    mit heftigem Gesange.
    Leyder muss ich bekennen, daß ich, von eim alten Matros verfüret, zwey
    mal von dem heydnischen Giffte Opium genooß, erkranckte auff das eusserste,
    genaß aber orntlich, u. lies mir nie mehr daran gelüßten.
    In demselben Hauße, wo ich Abstieg genommen hatte, u. welches einem
    Niederlender gehörte, war eine indianische Magd, hieß Sillah, gar schön, und fein an Gliederen, u. nicht all zu tunckel geferbt, gefihl mir sonderbahr, wolte aber nichts von Matrosen wißen. Dieselbige war türckischen Gläubens, maaßen
    sie von der Statt Japare gebührtig war.
    Offtmahlen gieng ich in der Statt herumb, theyls eintzel, theyls mit de-
    nen Kumpanen, besahe viele u. erstaunliche Rariteten, auch Tempel, heyliger
    Oerther, frembde Bäume u. Pflantzen, Palmen u. Negel-Bäume. Ueber disem
    vergieng mein Geldt, u. Haabe, nicht anders dann Merzen-Schnee. Wolte aber
    nicht wider Schiffs-Dienste nemen. Da begegnete mir wider einmahl die sel-
    be Sillah, u. sagte Schmeicheleyen zu ihr, ob sie nemlich mir nicht wölle ein Kuss geben. Antwortete, nein, es sey dan daß ich sie heurathe. Dannenhero
    ich hefftig lachen musste, lies das Mähdgen lauffen.
    Im January giengen aber die mehrsten von mein Kumpanen wider in Dien-
    ste, ein jeder auff ein Schiff, verliesen mich, in grosser Freundschafft u. Trehnen. Da blyb ich gantz allein, hatte kein Geldt, u. seuffszete mildiglich, wusste nicht was tuhen, u. wohin gehen.
    In dieser betrübten Zeyt kam ich nochmahlen zur Sillah, fragte, ob sie
    mich heurathen wölle. Dan ich hatte niemanden gesagt, daß ich kein leedi-
    ger Mensch were, sondern schon lang ein EheMann. Das Mähdgen sagte, Ja,
    aber daß wir in Batavia nicht heurathen könnten, sondern müssten auf ein
    andere Insul wohnen. Darumb suchte ich ein Dienst, nam Handgeldt bey eim
    Haubtmann, welcher sollte nacher Amboina faren, u. seyn Schiff hieß Henriette Louyse. Auch das Megtelein verdingte sich auff dieses Schiff, maaßen ich den Haubtmann darum baht. Wir fürten Reiß u. Zukker, u. dasselbe Schiff sollte
    GewürtzNegel, benebenst Mosckat-Nüße, nacher Batavia, Retour bringen.
    So furen wir am 7. February dahin, verhoffte auff disen Insuln einen guten
    Dienst zu finden, bey der Hochlöblichen Ost-Indischen Compagnie, welche
    ambition hernacher auch würcklich erfüllet wurde. Was Alles auff diser Reiße geschah, u. wir gar viel erduldeten, mag ich nicht alles herzehlen, nebenst
    Ohn-Gewittern, Sturm u. eusserste Gefaren, so wir bey Zunda, und sonsten
    erleyden mussten; u. kamen öfters in so schweere Noth u. Bedrengniß, daß wir alle betteten (ohne meine Sillah, dann die hatte den Mohren-Glauben) u. so
    gar die muhtigste Matrosen, u. arge Sünder, u. Flucher, mildiglich zu weynen an fiengen. Verlohren zwölff Persohnen, darunter ein Edelmann. Diser war ein Vetter von dem Gouverneur von Tarnaten, welches eine kleyne Insul ist, und
    stehet daselbst ein brennender Berg. Er hieß Herr Korss, fihl über Bord in das 279
    Wasser.
    Summa nach allen disen, schweeren Nöthen lieffen wir am 24. Maymonaths
    in Amboina an das Land, bei dem Schloss Victoria. Dorten verlies ich samt
    der Sillah das Schiff, welches nur Waßer und Speise auffnam, u. sogleich biß zu einem andren Haaffen weiter fur. Beriethen uns nun, was zu tun were. Dan das Mähdgen hatte mir schon zuvohr gesagt, daß sie bereit were, im nöthigen Fall das Heydentum abzustreiffen. Hielten es aber nun vor

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