Die Erzaehlungen 1900-1906
versprach ihm ein Lehrgeld zu geben, wenn er mich zu einem guten
Dieb mache. Sie wurden einig, spuckten auf die Erde und schlugen einander
auf den Rücken, und ich blieb bei dem Manne.
Mwamba hielt inne, baumelte mit den Beinen und sah uns an.
Weiter!
rief
man ihm zu.
Weiter, bitte , sagte nun auch er, und streckte die Hand aus, bis ich eine
kleine Münze darauf legte.
Danke, Herr, Mwamba ist dankbar. Ich erzähle von dem Diebsmeister.
Er war ein berühmter Meister, sagten die Leute. Ich blieb bei ihm, und er
lehrte mich stehlen; aber ich lernte von ihm nichts Neues. Wir gingen umher
und stahlen, aber oft ging es uns schlecht, und wir hatten wenig zu essen. Da liefen wir einmal umher und kamen auf den Weg, der durch den Wald führt.
Wir sahen von fern einen Mann kommen, der eine Ziege am Strick hinter sich
führte. Und wir verbargen uns an der Seite des Weges.
Der Meister seufzte sehr und sagte: >Wenn ich nur die Ziege bekommen
könnte! Aber wie sollte ich sie bekommen? Niemals wird die Ziege mein wer-
den!< Da lachte ich ihn aus und sagte zu ihm: >Ich werde machen, daß die Ziege dein wird.< Da war er froh und tröstete sich. Und ich sagte zu ihm:
>Gehe hinter diesem Mann auf der Straße, bis du sehen wirst, daß er sein
Tier anbindet und stehen läßt. Dann stiehl es und treibe es schnell aus dem
Wald.< Der Meister gehorchte mir. Ich aber ging in den Wald hinein und versteckte mich, und als der Mann mit der Ziege kam, fing ich so an zu schreien wie ein Ziegenbock schreit. Der Mann hörte es und dachte, es habe sich ein
Bock im Walde verlaufen, und um den Bock zu fangen, band er seine Ziege an
einen Baum und verließ die Straße. Dann lockte ich ihn solange mit meinem
Meckern im Walde, bis mein Meister die angebundene Ziege losgemacht und
weggeführt hatte.
An einem entlegenen Orte traf ich den Diebsmeister an. Wir töteten unsere
Ziege und zogen ihr das Fell ab, und da tat es mir leid, daß ich sie dem
Meister überlassen und nicht für mich selbst gestohlen hatte. Alles ist wahr, was Mwamba sagt. Nun schickte mich der Meister an den Fluß hinüber; damit
ich das Fleisch und das Fell wasche. Es war Abend geworden und dunkel. Und
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ich ging an den Fluß. Dort nahm ich das Ziegenfell und schlug mit einem Stock darauf los, daß es klatschte, und zugleich erhob ich ein lautes Jammergeschrei.
Wollt ihr hören, wie Mwamba geschrien hat? Nicht? – Also nicht!
Mein Meister schrie herüber und fragte, was es gebe. Ich antwortete ihm
klagend und rief um Hilfe und sagte, der Besitzer der Ziege sei mit noch
einem Mann über mich hergefallen und drohe, mich tot zu schlagen, und er
möge schnell kommen und mir helfen. Der Meister aber, als er das hörte, lief davon, um sich zu retten. Da brachte ich das Fell und das Fleisch der Ziege
nach Hause zu meinem Vater.
Er schwieg. Wir drängten ihn, weiter zu sprechen.
Ich habe Durst , sagte er. Ein Whisky wurde ihm versprochen.
Ich fahre fort. Ich werde Whisky kriegen. O Herren, am folgenden Tag kam
der Diebsmeister in unser Haus, um nach mir zu fragen. Als ich ihn kommen
sah, bestrich ich mein Gesicht mit Ziegenblut und legte mich auf das Lager.
Dann kam er und fragte, wie es mir ergangen sei, und ich beklagte mich sehr, aber das Fleisch hatten wir versteckt. Mein Vater sagte, er solle mich wieder mitnehmen. Aber der Meister klagte, er könne mir nichts zu essen geben, und
ich habe ohnehin genug gelernt. Aber d aß ich ihn auch um die Ziege betrögen hatte, wußte er nicht. Da bezahlte ihm mein Vater etwas Lehrgeld, aber nur
die Hälfte von dem Vereinbarten, und wir hatten die Ziege, und der Meister
ging in sein Dorf zurück.
Ist das deine ganze Geschichte, Mwamba?
Es ist alles. Ich habe erzählt. Ich bekomme einen Whisky.
So erzählte der Schwarze, und wir hörten ihm zu, lachten ein wenig über
seine Ziegengeschichte und schenkten ihm einen Whisky. Er sah lustig aus, wie er uns dankbar angrinste, seinen lächerlichen Melonenhut schwang und mit
den gelb und braun karierten Beinen an der Tonne trommelte. Seine Schuhe
waren von rotem Segeltuch mit lackierten Riemen. Strümpfe trug er nicht. Oft tat er mir leid. Oft schämte ich mich für ihn, und ebenso oft schämte ich mich für uns. Oft machte er sich sichtlich über uns lustig. Ach Mwamba, wie oft
habe ich später an dich gedacht! Und wie oft noch trieb mich die Unrast in
ferne Länder, und wie oft noch stieß ich auf die selbe Enttäuschung, daß auch Reise, Fremde und neue
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