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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Und so oft in der Werkstatt von Mädeln und Liebesgeschichten die Rede war, zuckte er die Achseln, und wenn ihn einer von uns Mitgesellen
    fragte, was er davon halte, lachte er und meinte:
    Nur drauf los, nur drauf los, ihr Schlecker! Ich erleb’s noch, daß ihr alle
    heiratet.
    Ja, warum denn nicht , rief da mancher,
    ist denn Heiraten so ein Un-
    glück?
    Kannst’s ja probieren. Aber ich nicht. Ich nicht!
    Wir lachten ihn oft darum aus, namentlich weil er ja kein Weiberfeind
    war. Einen Schatz hatte er freilich nie, aber wo im Vorübergehen ein kurz-
    es Geschäker, ein leichtes Zugreifen und ein schnell gestohlener Kuß zu haben war, ließ der Silbernagel sich nichts entgehen. Auch glaubten wir nicht fehl-zuraten, wenn wir annahmen, er habe irgendwo in der Ferne ein Mädel sitzen
    und werde wohl der erste von uns sein, dem es zum Heiraten reichte. Denn er
    verdiente gut und konnte Meister werden, sobald er wollte, auch hieß es, er
    habe ein fettes Sparkassenbuch.
    Im übrigen war Konstantin ein Mensch, den alle gern hatten. Er ließ uns
    nie merken, daß er geschickter war und mehr verstand als wir Kollegen; nur
    wenn einer ihn um Rat fragte, half er gern und griff mit zu. Sonst war er wie ein Kind, leicht zum Lachen zu bringen und leicht zu rühren, launisch, aber
    harmlos, und ich habe nie gesehen, daß er etwa einen Lehrbuben geschlagen
    oder ungerechterweise angeschnauzt hätte.
    Damals glaubte ich noch, es in der Maschinenschlosserei zu etwas Rechtem
    bringen zu können, und so schloß ich mich immer mehr an den Silbernagel
    an, der an Begabung und Erfahrung allen Kameraden weit überlegen war und
    es wohl auch leicht mit dem Meister aufgenommen hätte. Wenn man ihn ar-
    beiten sah, dann ging einem recht die Lust am Handwerk auf, so leicht und
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    fröhlich und unfehlbar ging ihm alles von der Hand. Er hatte stets nur feine Arbeit zu machen, bei der man nicht schlafen und dösen kann und immer alle
    Aufmerksamkeit beisammen haben muß, und er hat nie ein Stück verdorben.
    Die meiste Freude hatte er am Montieren neuer Maschinen; auch solche Kon-
    struktionen, die er noch nie selber gearbeitet hatte, brachte er zusammen und in Gang wie ein Kinderspiel, und dabei sah er so edel und besonders aus, daß ich damals zum erstenmal recht begriff, was das heißt, daß der Geist den Stoff beherrscht und daß der Wille stärker ist als alle tote Masse.
    Allmählich entdeckte ich denn auch, daß mein Kamerad Konstantin sich
    nicht mit der aufgetragenen Handarbeit begnügte. Es fiel mir auf, daß er
    zuzeiten nach Feierabend verschwunden war und sich nirgends zeigte, und
    bald kam ich dahinter, daß er dann in seinem gemieteten Stüblein in der
    Senfgasse saß und zeichnete. Anfangs meinte ich, er wolle sich üben und die
    Künste von der Abendschule nicht einrosten lassen, aber dann ging ich einmal hin, und da sah ich zufällig, daß er am Lösen einer Konstruktionsaufgabe
    war, und als ich weiter redete und fragte, erfuhr ich bald von ihm, daß er an einer Erfindung arbeite. Seitdem ich das wußte, kam ich in ein vertraulicheres Verhältnis zu ihm, und nach einiger Zeit kannte ich alle seine Geheimnisse. Er hatte zwei Maschinen erfunden, von denen eine erst auf dem Papier, die andere auch schon im Modell fertig war. Es war ein Vergnügen, seine Zeichnungen
    anzuschauen, so tadellos sauber und scharf waren sie ausgeführt.
    Mein abendlicher Verkehr mit Konstantin erlitt eine Unterbrechung, als ich
    im Herbst die Fränze Brodbeck kennen lernte und ein Verhältnis mit ihr anfing.
    Damals fing ich wieder stark zu dichten an, was ich seit meiner Lateinschulzeit unterlassen hatte, und das hübsche, leichtsinnige Mädchen hat mich mehr
    gekostet, als sie vielleicht wert war, obwohl ich noch mit einem blauen Auge davon kam.
    Eines Abends, nachdem ich lange weggeblieben war, kam ich wieder einmal
    zum Silbernagel auf seine Mansardenstube und sagte Grüßgott. Da schaute er
    mich bedenklich an und wusch mir wegen der Weibergeschichte gründlich den
    Kopf, so daß ich fast wieder fortgelaufen wäre. Aber ich blieb doch da, denn in seiner zornigen Rede war etwas vorgekommen, das meiner jungen Eitelkeit
    gewaltig schmeichelte.
    Du bist zu gut für so ein Weib , hatte er gesagt,
    und überhaupt zu gut
    für die Frauenzimmer. Ein großer Mechaniker wirst du nicht, wenn du das
    auch nicht gerne hörst. Aber etwas steckt in dir, das wird schon noch her-
    auskommen, wenn du ihm nicht vorher mit Liebesgeschichten und

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