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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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dergleichen
    selber das Kreuz abdrehst.
    Und nun fragte ich ihn, warum er eigentlich so grimmig auf Liebe und
    Heiraten zu sprechen sei. Er sah mich eine Weile streng an, dann legte er los: Das kann ich dir gleich sagen. Zum Erzählen ist’s zwar eigentlich nicht,
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    es ist nur so eine Erfahrung oder eine Episode oder wie man das heißt. Aber
    du wirst es schon begreifen, wenn du nicht bloß mit den Ohrlappen zuhörst.
    Nämlich, ich bin einmal ganz nahe am Heiraten vorbeigestreift, und von dem
    hab’ ich auf lang hinaus multum viel genug. Heiraten soll wer will, aber ich nicht. Ich nicht! Verstanden?
    In Cannstatt bin ich zwei Jahre in Arbeit gestanden. War auch Gießerei
    dabei, ein schöner Betrieb, und viel zu lernen. Kurz vorher hatte ich ein Ma-schinelchen erfunden für Holzbearbeitung, Zapfen, Spunden und dergleichen,
    ganz nett, aber es war nicht praktisch, brauchte zu viel Kraft, und da hab’
    ich den ganzen Kram wieder kaputt gemacht. Jetzt wollte ich noch etwas Or-
    dentliches lernen, und das tat ich auch, und nach ein paar Monaten fing ich
    schon wieder was an, die kleine Waschmaschine dort; die wird gut. Da wohnte
    ich bei einer Heizerswitwe, eine kleine Mansarde, und da bin ich fast jeden
    Abend gesessen und hab gezeichnet und gerechnet. Das war eine schöne Zeit.
    Du lieber Gott, was hat man sonst vom Leben, als daß man was schafft und
    aus seinem Kopf heraus was in die Welt setzen kann?
    Aber im gleichen Haus hat eine gewohnt, eine Näherin, und die hieß Lene
    Kolderfinger und war eine schöne Figur, nicht groß, aber wohlgeschaffen und
    nett. Die kannte ich natürlich bald, und weil es in der Natur so ist, daß junge Burschen gern mit den Mädchen einen Spaß haben, lachte ich ihr zu und
    sagte ihr manchmal etwas Lustiges, und sie lachte wieder, und es ging nicht
    lang, da waren wir gute Bekannte und hatten ein Verhältnis miteinander.
    Und weil sie ein anständiges Mädchen war und mir nichts Unrechtes erlaubte,
    hingen wir um so fester aneinander. Am Feierabend sind wir in den Anlagen
    spazieren gegangen und am Sonntag auf ein Dorf ins Wirtshaus oder zum
    Tanzen. Einmal beim Regenwetter kam sie auch zu mir in mein Stüblein, und
    da zeigte ich ihr meine Zeichnungen zu der Waschmaschine und erklärte ihr
    alles, weil sie natürlich in solchen Sachen kuhdumm war. Und wie ich mitten
    im Reden und Erklären und ganz im Eifer war, da sah ich auf einmal, wie sie
    hinter der Hand gähnte und gar nicht aufs Papier hinschaute, sondern unter
    den Tisch auf ihre Stiefel. Da hörte ich plötzlich auf und tat die Zeichnungen in die Schublade, aber sie merkte gar nichts und fing gleich zu spielen und zu küssen an. Das war das erstemal, daß ich im Sinn drinnen mit ihr uneinig war und mich ärgerte.
    Nachher dachte ich mir dann aber, warum soll das Mädchen sich um deine
    Zeichnerei bekümmern, wo sie doch nichts davon versteht. Nicht wahr? Und da
    nahm ich mich zusammen, und es war auch wirklich zuviel verlangt. Nun, das
    war also gut. Sie hatte mich gern, und lang dauerte es nicht, so fingen wir an, vom Heiraten zu reden. Meine Aussichten waren ja nicht schlecht, ich hätte
    es bald zum Aufseher bringen können, und die Lene hatte eine ordentliche
    Aussteuer beinander und auch noch ein paar hundert Mark Gespartes. Und
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    seit wir einander das gesagt hatten und immer strenger ans Hochzeitmachen
    dachten, ist sie immer zärtlicher geworden, und auch ich hatte nichts anderes mehr im Kopf als meine Verliebtheit.
    Über all dem Zeug bin ich natürlich nimmer ans Zeichnen gekommen, weil
    ich die ganze Zeit bei der Lene war und den Kopf ganz voll hatte von der
    Heiraterei. Es war auch ganz schön, und ich war recht glücklich, wie es einem Bräutigam ansteht, ließ mir Ausweispapiere aus meiner Heimat kommen und
    wartete eigentlich nur noch auf meine Aufbesserung im Geschäft; die konnte
    nimmer lang ausbleiben, vielleicht nur noch vier oder sechs Wochen.
    Soweit war alles in Ordnung. Bis die Ausstellung eröffnet wurde. O Sternsa-
    krament, Junge! Es war eine Gewerbeausstellung, nur ziemlich klein, und
    wurde an einem Sonntag eröffnet. Von der Fabrik hatte ich eine Eintritts-
    karte gekriegt und für die Lene hatte ich noch eine dazugekauft. Wir hatten
    Ermäßigung.
    Da war großer Klimbim, kannst du dir denken. Musik und Spektakel und
    eine Masse Leute, ich habe dem Mädchen einen Sonnenschirm gekauft, aus
    einem Stoff wie Seide, in allen Farben, und da gingen wir herum und waren
    vergnügt. Im Freien

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