Die Erzaehlungen 1900-1906
Märchenprinzen ebenso wie das
Glück der Spatzen auf dem Mist, und es dauert ja nie zu lange.
Von den zwei schönen Ferienmonaten waren mir erst ein paar Tage durch
die Finger geglitten. Bequem und elastisch wie ein heiterer Weiser wandelte
ich in den Tälern hin und her, eine Zigarre im Mund, eine Ackerschnalle am
Hut, ein Pfund Kirschen und ein gutes Büchlein in der Tasche. Ich tausch-
te kluge Worte mit den Gutsbesitzern, sprach da und dort den Leuten im
Felde freundlich zu, ließ mich zu allen großen und kleinen Festlichkeiten, Zusammenkünften und Schmäusen, Taufen und Bockbierabenden einladen, tat
gelegentlich am Spätnachmittag einen Trunk mit dem Pfarrer, ging mit den
Fabrikherren und Wasserpächtern zum Forellenangeln, bewegte mich maßvoll
fröhlich und schnalzte innerlich mit der Zunge, wenn irgend so ein feister,
erfahrener Mann mich ganz wie seinesgleichen behandelte und keine Anspie-
lungen auf meine große Jugend machte. Denn wirklich, ich war nur äußerlich
so lächerlich jung. Seit einiger Zeit hatte ich entdeckt, daß ich nun über die Spielereien hinausgekommen und ein Mann geworden sei; mit stiller Wonne
ward ich stündlich meiner Reife froh und brauchte gern den Ausdruck, das
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Leben sei ein Roß, ein flottes, kräftiges Roß, und wie ein Reiter müsse man es behandeln, kühn und auch vorsichtig.
Und da lag die Erde in ihrer Sommerschönheit, die Kornfelder fingen an gelb
zu werden, die Luft war noch voll Heugeruch, und das Laub hatte noch lichte, heftige Farben. Die Kinder trugen Brot und Most ins Feld, die Bauern waren
eilig und fröhlich, und abends liefen die jungen Mädchen in Reihen über die
Gasse, ohne Grund plötzlich hinauslachend und ohne Vereinbarung plötzlich
ihre wehmütigen Volkslieder anstimmend. Vom Gipfel meiner jungen Mannes-
reife herab sah ich freundlich zu, gönnte den Kindern und den Bauern und
den Mädchen ihre Lust von Herzen und glaubte das alles wohl zu verstehen.
In der kühlen Waldschlucht des Sattelbachs, der alle paar hundert Schritt eine Mühle treiben muß, lag stattlich und sauber ein Marmorsägewerk: Schuppen,
Sägeraum, Stellfalle, Hof, Wohnhaus und Gärtchen, alles einfach, solid und
erfreulich aussehend, weder verwittert noch allzu neu. Da wurden Marmor-
blöcke langsam und tadellos in Platten und Scheiben zersägt, gewaschen und
geschliffen, ein stiller und reinlicher Betrieb, an dem jeder Zuschauer seine Lust haben mußte. Fremdartig, aber hübsch und anziehend war es, mitten in
dem engen und gewundenen Tale zwischen Tannen und Buchen und schmalen
Wiesenbändern den Sägehof daliegen zu sehen, angefüllt mit großen Marmor-
blöcken, weißen, bläulichgrauen und buntgeäderten, mit fertigen Platten von
jeder Größe, mit Marmorabfällen und feinem, glänzendem Marmorstaub. Als
ich das erstemal diesen Hof nach einem Neugierbesuch verließ, nahm ich ein
kleines, einseitig poliertes Stückchen weißen Marmors in der Tasche mit; das besaß ich jahrelang und hatte es als Briefbeschwerer auf meinem Schreibtisch liegen.
Der Besitzer dieser Marmorschleiferei hieß Lampart und schien mir von je-
ner an Originalen ergiebigen Gegend eines der eigentümlichsten zu sein. Er
war früh verwitwet und hatte teils durch sein ungeselliges Leben, teils durch sein eigenartiges Gewerbe, das mit der Umgebung und mit dem Leben der
Leute ringsum ohne Berührung blieb, einen besonderen Anstrich bekommen.
Er galt für sehr wohlhabend, doch wußte das keiner gewiß, denn es gab weit
herum niemand, der irgendein ähnliches Geschäft und einen Einblick in dessen Gang und Ertrag gehabt hätte. Worin seine Besonderheit bestand, hatte ich
noch nicht ergründet. Sie war aber da und nötigte einen, mit Herrn Lampart
anders als mit anderen Leuten umzugehen. Wer zu ihm kam, war willkommen
und fand einen freundlichen Empfang, aber daß der Marmorsäger jemand wie-
derbesuchte, ist nie vorgekommen. Erschien er einmal – es geschah selten –
bei einer öffentlichen Feier im Dorf oder zu einer Jagd oder in irgendeiner
Kommission, so behandelte man ihn sehr höflich, tastete aber verlegen nach
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der rechten Begrüßung, denn er kam so ruhig daher und blickte jedem so
gleichmütig ernst ins Gesicht wie ein Einsiedler, der aus dem Wald hervorge-
kommen ist und bald wieder hineingehen wird.
Man fragte ihn, wie die Geschäfte gingen.
Danke, es tut sich , sagte er,
aber er tat keine Gegenfrage. Man erkundigte sich, ob die letzte
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