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Die Erziehung - Roman

Die Erziehung - Roman

Titel: Die Erziehung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Vettel, das Gesicht rot wie ein Schließmuskel. »Hure! Pockengesicht! Besser, man holt sich einen runter, als ihn bei dir reinzustecken!«, erwiderte Lucas mit teigiger Stimme. Ein Stein wurde geworfen, der nur ein paar Zentimeter an seinem Kopf vorbeischoss. Lucas lachte, zog Gaspard am Ärmel, und sie ließen die Bacchantinnen hinter sich.
    »Hier ist es«, sagte er und stützte sich an der Wand ab, in der sich eine Tür auf einen uringeschwängerten Durchgang öffnete. Er ging Gaspard voraus. Die dreckige Wand zog unter seiner Handfläche vorbei, beschmierte sie mit Dreck. Der Gang führte in einen winzigen Hof. Gaspard schwindelte, es fiel ihm schwer, die Umrisse scharf zu erkennen. Das Rauschen der Straße war weggerückt. Durch offene Fenster konnte er ein paar Kerzen erahnen. An den Fassaden flimmerten gelbliche Laternen. Gaspard hob die Nase zum Himmel, kippte hintenüber und konnte sich gerade noch fangen. Das Mauerwerk erstreckte sich über fünf Etagen hoch – ein steinerner Anus der Einöde. Vom Himmel war nichts mehr zu sehen. Hier riecht man nichts als Menschenkot, dachte Gaspard. Lucas stieg bereits eine Steintreppe hoch. Weit oben zitterte der Schatten von aufgehängter Wäsche. »Willst du etwa da unten übernachten?«, rief Lucas ihm zu. Gaspard stieß ein »Nein« hervor, ergriff das Geländer und hob mit unermesslicher Anstrengung ein Bein, dann das andere. Er tastete sich durch die Dunkelheit hinauf in die oberen Etagen, in denen er Lucas durch seinen muffigen Atem ausmachte. Da und dort glitt unter einer Tür ein Lichtstrahl hindurch, und Gaspard bemerkte seine dreckigen Schuhe. Auf irgendeinem Stockwerk blieben sie stehen. Durch eine Dachluke sickerte etwas Licht und ließ zwei Türen mit abblätterndem Holz erkennen. Jemand hat Rüben gekocht , stellte Gaspard schnuppernd fest. Lucas zerrte umständlich einen Schlüsselbund hervor, betastete das Schloss, riegelte auf, drückte die Klinke hinunter und trat in ein kleines Zimmer. Gaspard zog die Tür hinter sich zu. Bis Lucas ein Streichholz gefunden hatte, blieb er reglos stehen. Lucas’ Atem streifte seinen Arm, sein Geruch schlug auf seine Nackenhaut, höhlte seinen Bauch. Die Flamme schwoll an, warf ihr fahlgelbes Licht an die Wände. Die fetten Kerzendochte machten das Zimmer erkennbarer, brachten Lucas wieder zum Vorschein. Auf dem Boden lag eine Matratze, mit einem schmutzigen Laken bedeckt. Auf zwei Gestellen an der Wand gab es ein paar Nippsachen, kratzige Decken, ein finsteres Kleiderbündel. Dicke Staubflocken ballten sich auf dem Boden. In einer finsteren Ecke stand eine Eisenwanne. Links davon unter dem einzigen Fenster auf einer Holzbank, auf der ein Haufen Unrat vor sich hinschimmelte, ein zur Hälfte mit einer goldgelben Lymphe gefüllter Nachttopf. Der Geruch nach Mann und Exkrementen sättigte das Zimmer. Lucas ließ sich aufs Lager fallen.
    Gaspard zögerte, öffnete das Fenster. Er sog die schlaffe Luft ein, während Lucas wieder aufstand, einen Eimer Wasser ins Becken goss und dann sein Hemd aufknöpfte. Gaspard lehnte sich an die Wand, während Lucas sich auszog, eine Nacktheit ausstellte, die im Schein der Kerzen wie von Gelbsucht befallen war. Lucas tunkte einen Waschlappen ins Wasser, rieb ein Stück Seife daran und verteilte den Schaum auf seinem Oberkörper und seinen Armen. Sein Geschlecht, unter einem kohlschwarzen Schamberg erschlafft, zeigte zum Boden. Die ganze Haut war von Rötungen und Krusten angeschwollen. Unter Grimassen klopfte er die Schuppen ab. Gaspard schluckte. Lucas bemerkte, dass er von ihm betrachtet wurde. Irritiert erklärte er: »Bei diesen ganzen Schweinereien im Fluss …«, dann zuckte er die Schultern. An den Ellbogen und den Knien löste sich die Haut in Fetzen. »Ist nicht gut, sein Leben in dieser Brühe zu verbringen. Das hier kommt und geht, ist nicht immer so. Manchmal ist es noch schlimmer, es gibt Läuse, die sich einnisten und Eier ausbrüten, das juckt dann so, dass man den Kopf an die Wand schlagen möchte oder sich in Stücke reißen.« Er wischte die Seife ab, trocknete sich, indem er die Haut abtupfte. »Schau nicht so, wirst dich auch dran gewöhnen müssen!«, scherzte er. Dann zog er aus dem Wäschestapel einen Topf mit einer beigefarbenen Salbe hervor, nahm den Deckel ab und schmierte davon auf seine Arme, seinen Oberkörper, sein Geschlecht und seine Beine, näherte sich Gaspard, drehte ihm den Rücken zu und streckte ihm die Creme hin: »Da, hilf mir ein wenig, ist nicht

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