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Die Erziehung - Roman

Die Erziehung - Roman

Titel: Die Erziehung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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das Tageslicht noch kaum hereingedrungen, und alle trugen Leuchter in der Hand. Das Unbehagen des Vortags verflüchtigte sich, erschien ihm lächerlich: Warum sollte er sich beunruhigen über Vergnügen, die sein Körper verweigerte? Er hatte entschieden, ihn als Instrument zu benutzen, und musste es akzeptieren, dass sich nach einer Zeit der Abnutzung Erschöpfung bemerkbar machte. In einem seiner Leben, dessen Erinnerung ihn in Billods Atelier führte, hatte er einen Mann geliebt, und die körperlichen Vergnügungen hatten einen Sinn für ihn bekommen. Im Moment durfte Gaspard nichts von seinen Ambitionen aufgeben, keine derartige Schwäche zeigen. Gegenüber dem Stallburschen hatte er sich kläglich und dumm benommen. Seine Gefühle hatten über die unbestechliche Vernunft gesiegt. Gaspard schüttelte den Kopf, ging ans Fenster und warf einen Blick in Richtung der Stallungen. Die Ereignisse standen ihm klar vor Augen. Er musste sich wieder fangen. Draußen hoben sich die Eiben von der roten Dämmerung ab. Er meinte in einem der Bassins das Schimmern der Karpfen zu sehen, die Madame de Clairois gerne fütterte, um zu beobachten, wie die Mäuler aus der Wasseroberfläche ragten und nach den Brotkrümeln schnappten, die sie ihnen zuwarf. Diese überflüssigen Zerstreuungen würden ihn auch heute Morgen wieder besänftigen. Gaspard ging die Treppe hinunter. Die Eingangshalle glänzte im Morgenlicht, die frische Luft belebte ihn. Alles passte wunderbar zu seiner Laune. Die Welt war weit und strahlte. Das Gebäude erstreckte sich über zwei Flügel; vom Flur zu seiner Rechten drangen muntere Männerstimmen. Gaspard genoss die Fiebrigkeit, die seiner ersten Parforcejagd vorausging. Wieder ertönte das Jagdhorn. Am Vortag, erinnerte er sich, hatten de Valny und d’Uzens die Equipage zusammengestellt. War Gaspard so abwesend gewesen, dass er nicht auf die Namen der teilnehmenden Männer geachtet hatte? Er überprüfte noch einmal sein Gewand, dann machte er sich in Richtung der männlichen Stimmen auf. Die Härte und Frische des Morgens, die Angeregtheit der Jäger und Hunde verliehen seinen Schritten Männlichkeit. Gaspard dachte nicht mehr an die Verletzung, nicht mehr an Mathieu oder Raynaud. Es zählte einzig, sich unter die Jäger zu mischen, den Geruch der Pferde und des Waldes zu riechen. Als Kind hatte er den Vater auf die Jagd begleitet, aber nun fürchtete er nicht mehr, nach Quimper zurückgeführt zu werden. Das alles hier war meilenweit entfernt von dem Dreck des Bauernhofs, von der in Jauche und Elend suhlenden Mutter. Die Augen auf die Kreuzrippen an der Decke gerichtet, spürte Gaspard seinen Jagdtrieb erwachen, und er ging überzeugten Schrittes auf den Salon zu, in dem die Gäste der Présidente de Cerfeuil warteten. Souverän und ruhig trat er ein.
    Inmitten einer Gruppe von Männern stand der Comte Etienne de V. und unterhielt sich. Er drehte sich entspannt um, eine Tasse in der Hand, ein Lächeln auf den Lippen. Monsieur d’Uzens trat spontan vor. »Da ist ja unser junger Freund!« Gaspard blieb wie erstarrt stehen, wurde totenbleich und musste sich mit der Hand am Türrahmen festhalten. Erst zweifelte er, dass es Etienne war, dachte, dass seine Einbildungskraft ihn trog und er einen Mann von ähnlichem Aussehen mit dem Comte de V. verwechselte. Seit ihrer Trennung, bei der Etienne in dem stinkenden Keller seiner Verachtung freien Lauf gelassen hatte, schien eine Ewigkeit vergangen zu sein. Waren seine Züge in Gaspards Gedächtnis so sehr verblasst, dass er nun den nächstbesten Gast im Schloss für Etienne de V. hielt?
    Ein Zögern glitt über das Gesicht des Mannes, den er für Etienne hielt, und Gaspard musste der Tatsache ins Auge sehen. In einem Winkel seines Bewusstseins tauchten die Beschaffenheit und der Geschmack seiner Lippen auf. Es war kein Zweifel, keine Ausflucht möglich: Vor ihm stand der Comte de V. Diese Unabänderlichkeit brachte die Zeit zum Stehen, Gaspard und die anderen Männer erstarrten, als wären sie in Harz gegossen. Wie war das möglich? Welchem Mysterium waren diese Anwesenheit, dieses gewaltsame Eindringen geschuldet? Nichts durfte sich Gaspards Aufstieg in den Weg stellen, schon fiel sein mühsam erworbenes Vertrauen, das bereits durch Mathieu ins Wanken geraten war, in sich zusammen. Für Etienne war kein Platz im Ablauf der Szenen, die sein Leben ausmachten, sein Eindringen stellte jeden Schritt infrage, den er von der Vortreppe des Ateliers bis zum Schloss der

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