Die Erziehung - Roman
solle sich aus dem Weg machen, ein Pferd streifte ihn, versetzte sein Herz in einen wilden Rhythmus. Er stürzte an den Rand und hatte es nun eilig, die Brücke hinter sich zu lassen. Über die Rue de la Juiverie, die zum anderen Ufer führte, erreichte er die Ile de la Cité. Es war für Gaspard so unerträglich, sich noch immer über dem Flussbett zu befinden, selbst auf festem Boden, dass er bis zur Erschöpfung rannte, die zweite Brücke überquerte und erst anhielt, mit gekrümmtem Rücken, die Hände auf den Knien, als er die Rue du Petit-Pont-Saint-Julien in der Nähe der Kirche Saint-Séverin erreicht hatte, deren gotischer Glockenturm zwischen den Dächern herausragte.
Sein Blut pulsierte. Eine Klinge im bebenden Fleisch schien ihm die Seite aufzureißen. Als er sich wieder aufrichtete, wurde er von zwei Frauen auf einer Vortreppe misstrauisch beäugt. Gaspard wandte den Kopf ab, warf einen Blick auf die Straße. Arme, in Fetzen gekleidete Schlucker schleppten Karren und Marktstände hinter ihren grauen Silhouetten her. Man sah auch, weniger selten als im Faubourg Saint-Denis oder in Saint-Antoine, Männer und Frauen zwischen zwei Klassen – von der Sorte Legrand , dachte Gaspard augenblicklich, von dieser Sorte, die im Luxus lebt, sich aber gerne selbst umbringt –, die, in schweren Kleidern, Blusen und arrangierten Perücken, eifrig ihren Beschäftigungen nachgingen. Der Boden hallte vom Klappern der Absätze, von den Eisen der Hufe wider. Gaspard ging die Straße hinunter, schwenkte dann nach rechts in die Rue de la Parcheminerie. Auf beiden Seiten machten sich die Händler die Fassaden streitig, die unter den Ladenschildern einzustürzen drohten. Als er an einer Nähwerkstatt vorbeikam, sah er in der Scheibe ihrer Tür sein Spiegelbild. Er war nichts als ein Elender mehr in diesen Straßen, das Gesicht vom Rennen gerötet. Der Schweiß rann ihm von den Schläfen. Selbst in seinen besten Kleidern bestätigte er die Zugehörigkeit zum Sumpf des anderen Ufers, und schon warf ihm ein Hufschmied, der nach Schweiß, verbranntem Horn und Lederfett stank, einen freundlichen Blick zu, erkannte ihn als seinesgleichen. Aus einem Fenster wrang eine Domestikin ein Laken aus. Sie suchte mit dem Blick die Straße ab, übersah ihn. Gaspard ließ sie gleichgültig, er war nur ein weiteres Stück Dreck, ein unbedeutendes Detail.
Er fühlte sich fehl am Platz, und der Atem, der ihn bis hierher geführt hatte, lächerliche Hoffnung, unbesonnener Akt, erschlaffte, machte der Verwirrung Platz. Hatte er geglaubt, hier eine Arbeit finden zu können? Welches Gewerbe sollte er denn anstreben, er, der Bauernjunge, der nichts als Schweine züchten und sich wie die anderen im Schlamm eines Flusses wälzen konnte? Hatte er vielleicht geglaubt, Schneider, Parfümeur werden zu können? Oder Juwelier wie Martin Legrand? Einen ausgesuchten Beruf auszuüben, der Gelehrsamkeit erforderte, eine Ausbildung, eine Eleganz, die er nie haben würde? Niedergeschlagenheit überfiel ihn, mitten auf der Rue de la Parcheminerie, während ein abgerissener Hund an seinen stinkenden Schuhen schnupperte, weiterlief, um zu pissen. Ich muss zurück , dachte Gaspard und drehte mit schleppendem Schritt um, als plötzlich eine Tür aufflog und einen akneübersäten Jugendlichen mitten auf die Straße spuckte, wo er mit seinem Marmeladengesicht auf das Pflaster schlug. »Du Bauerntrampel«, brüllte eine Stimme, der bald ihr Eigentümer folgte. Der Mann verschwand hinter den Locken einer blauen Perücke. »Elender Herumstreuner, Abschaum!« Der dickbäuchige Mann trat in dem Rhythmus vor, in dem der andere von ihm wegkroch, und versetzte ihm kräftige Fußtritte in den Bauch. »Geh doch zu deiner Mutter zurück! Ihr Bauch sei verflucht!« Ein Blutfaden lief dem Jungen von der Nase über den Hals. Er schaffte es, sich hochzurappeln und um eine Straßenecke zu verschwinden. Außer Atem sah der Perückierte zu, wie er sich entfernte. Als er Gaspards Anwesenheit spürte, sagte er in seine Richtung: »Dieses stinkende Skelett treibt es mit allen, sogar mit kleinen Mädchen! Eine Dame kam sich bei mir beschweren, er habe ihre Kleine berührt!« Er drehte sich um, bemerkte endlich Gaspard und schien verlegen, diesem Landstreicher eine Erklärung gegeben zu haben. Er machte auf dem Absatz kehrt und schickte sich an, in seinen Laden zurückzukehren.
»Es ist nur … Monsieur … ich suche Arbeit«, sagte Gaspard, bevor er hinzufügte: »Ich kann mich einarbeiten.
Weitere Kostenlose Bücher