Die Erziehung - Roman
Gezeter der Männer. Schweine, Kälber und Schafe schrien wild durcheinander, und diese Vielfalt verschmolz zu einem einzigen, beinahe menschlichen Schrei, der Gaspard drängte, auf der Stelle das Weite zu suchen. Er fühlte, wie seine Beine versagten, und senkte den Blick. Aus den Schlachthöfen floss das Blut, besudelte das Pflaster, rötete den Schnee, kristallisierte sich zu schwarzen Krusten. Gaspard ging an den Straßenrand, stützte sich an die Mauer. Sein Kopf drehte sich, sein Mund war trocken. Er beobachtete die Straße, die von den Feuern der Schlachthöfe schwach erleuchtet wurde. Die unerträgliche Kakophonie bedrängte ihn. Schmachtende Frauen riefen ihm schmeichelnde Worte zu. Seine Sicht trübte sich, alle Gesichter schienen aus ein und demselben Dreck gemacht. Die Prostituierten, gleichgültig gegenüber dem Gebrüll der Tiere, wogten durch die schwarze Nacht, boten den Fackeln ihre verbrauchten Beine, ihre enteigneten Bäuche dar. Gaspard versuchte, die nächste Straße hinaufzugehen. Eine Zwergin mit Klumpfüßen ließ aus ihrem Mieder eine opulente, spitze Brust herausragen. Etwas weiter weg bot ihm ein kaum zehnjähriges Kind, das Gesicht von Pocken verunstaltet, seine Dienste und gleichzeitig die seiner Mutter an. Zu alt, um sich aufrecht zu halten und den Kunden zu flattieren, schlotterte die Matriarchin am Boden vor sich hin. Der Geruch der Geschlechter mischte sich mit der metallischen Schärfe des Blutes, das sich um die Knöchel der Mädchen ausbreitete, ihre knappen Unterröcke verdunkelte. Die Straße schien unter seinen Schritten diesen endlosen weinroten Teppich auszurollen. Gaspard hielt sich die Hände an die Ohren. Doch die Schreie von den Schlachthöfen überwanden die Schranke seiner Hände mit Leichtigkeit. Die Häuser bogen sich, drohten auf die Straße zu stürzen, die Succubi unter sich zu begraben. Die Bewegung der Lumpen, der verschmierten Kleider ließ den Gestank der matten Körper entweichen, in der Luft anwachsen, die Straße mit den dreckigen Spitzen und Rüschen zu überfallen, die Gaspard zu ersticken drohten.
Im Hof eines Schlachters drückten vier Fleischer einen Ochsen zu Boden, der an den Hörnern festgebunden war. Die erröteten Gesichter blieben gleichgültig ob dem Brüllen des Tieres, das sich auf die Beine zu stellen suchte, über das Pflaster rutschte, mehrmals auf die Erde zurückgeschlagen wurde. Einer der Männer hob eine Keule, schlug sie dem Tier immer wieder auf den Kopf, bis der Schrei erstickt, die Zunge durchgebissen war, das Tier von Zuckungen geschüttelt wurde. Einer der Metzger schnitt ihm die Kehle durch, und das Blut sprudelte über seine Beine, während ein anderer den Bauch aufschlitzte. Die Gedärme quollen heraus, blau vom Fackellicht, rauchend wie eine Gehenna. Ihr Geruch war beißend, durchdringend. Die Männer tauchten ihre Arme in die klaffende Wunde, stießen einen Keil in das Tier und drückten mit ihren gespannten Muskeln so stark zu, dass die Leiche wieder lebendig wurde und sich unter obszönen Seufzern blähte. Gaspard schwankte, schloss die Augen, versuchte, den grimmigen Blicken der Fleischer auszuweichen, die das Tier bereits in Stücke zerlegten, während die Innereien in aller Ruhe auf ihn zukrochen. Der Schweinestall war wieder da, der Vater im Gegenlicht. Vor seinen Füßen suchte das verängstigte Schwein nach einem Fluchtweg, schlug mit voller Wucht an die Mauer, und aus der Wunde, die Gaspard mit dem Messer in die warme, fette Kehle geschnitten hatte, lief das Blut bis über seinen Hinterleib.
Er brach zusammen, zog die durchnässte Decke fester um sich. Als er sich wieder aufzurichten versuchte, verließen die Fleischergesellen mit langsamen Schritten den Schlachthof, durchdrungen vom Geruch der Tiere. Von einem Schwarm Dirnen umzingelt feilschten sie laut schreiend um die Preise. Manche drückten sich zwischen zwei Häuser, um in Kleidern zu huren, über einem verpissten Abwasserkanal unter Stoffschichten nach annähernd menschlichen Formen zu greifen, in aller Eile in den verdinglichten Körper der Frau einzudringen, die die Hure für die Zeit eines Röchelns verkörperte, deren Gesicht sie hinter ihrer schwieligen Hand versteckten. Waren die Körper wieder voneinander getrennt, nahm die blutleere Dirne, sich selbst fremd, ihren Platz wieder ein, stoisch, unerbittlich, den Sol in der Tasche, die Schenkel nass vom Sperma. Mit einer letzten Anstrengung entfernte sich Gaspard aus dem Gassengewirr und erreichte die Rue
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