»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
Art in der Lebensmittelindustrie war jene der Brauerei Krombacher. Man schrieb das Jahr 2002, als die südwestfälischen Bierbrauer mit Unterstützung von Fernsehmoderator Günther Jauch im Werbefernsehen erstmals die Rettung eines Quadratmeters Regenwald für jeden verkauften Kasten Krombacher-Bier versprachen. Die Kampagne wurde zwar oft und gern verspottet mit dem inzwischen legendären Satz »Saufen für den Regenwald«, dennoch konnte die Privatbrauerei ihren Umsatz seither von 460 auf 642 Millionen Euro steigern – ein sattes Plus von 40 Prozent innerhalb von nur sieben Jahren. Währenddessen schrumpfte der Regenwald weiter und schrumpfte und schrumpfte und schrumpfte.
Die Unernsthaftigkeit, mit der Krombacher seit Jahren die Regenwaldrettung durch Biertrinken ausruft, zeigt beispielhaft die
verschleiernde Wirkung und Sinnlosigkeit von CSR -Maßnahmen in der Lebensmittelbranche. Schon die Verknüpfung von Alkoholkonsum und Umweltschutz – dazu noch mit der eingebauten Mechanik »je mehr Bier, umso mehr gerettete Natur« – ist absurd: Denn dann wären Komasäufer die besten Umweltschützer. Man verknüpfe »Handeln und Genießen«, so lautete lange Zeit der Krombacher-Slogan. Der Genuss sei den Biertrinkern unbenommen, aber der Gedanke, eine Allerwelts-Biermarke zu kaufen sei Ausdruck verantwortungsvollen Handelns, ist blanker Unsinn, der zu Recht nur noch jene Blödelsprüche provoziert, wie man sie im Internet haufenweise findet: »Gottlob kein schlechtes Gewissen mehr, wenn Vati wieder mal besoffen ist. Er opfert sich ja für die Umwelt!«
»Jede Minute verliert unsere Erde 28 Hektar Wald, ein Großteil davon ist Regenwald«, schreibt Krombacher auf seiner Internetseite und beziffert seinen Beitrag zur Gegenwehr auf 83 Millionen Quadratmeter geschützten Regenwald im zentralafrikanischen Nationalpark am Dzanga River. 83 Millionen Quadratmeter – das klingt nach unglaublich viel, schrumpft aber auf anschaulichere Dimensionen, wenn man umrechnet: 83 Millionen Quadratmeter sind 83 Quadratkilometer (oder 8300 Hektar), also eine Fläche von rund 9 mal 9 Kilometer, auf die das Projekt seit 2002 gewachsen ist. Hält man die 28 Hektar dagegen, die laut Krombacher »jede Minute« verlorengehen, ist der durch Krombacher in vielen Jahren gewachsene Regenwaldschutz also innerhalb von fünf Stunden vernichtet.
Selbstverständlich kann eine deutsche Brauerei nicht den globalen Regenwaldschwund aufhalten. Aber das Missverhältnis zwischen Problem und Lösungsansatz ist so himmelschreiend, dass es die generelle Sinnlosigkeit solcher Projekte offenbart: Selbst wenn sämtliche Brauereien dieser Welt ähnliche Aktionen starteten, wäre ihr Beitrag immer noch lächerlich irrelevant. Den Regenwald können nur Politik und Gesetze und gesellschaftliche Übereinkünfte schützen; jeder Anschein, freiwillige Initiativen von Privatfirmen könnten irgendetwas Substantielles zur Verbesserung beitragen, ist Märchenstunde für Erwachsene. Das wissen sicher auch die Krombachers. Umso schlimmer, dass sie dennoch Wirkung für ihr Handeln reklamieren: »Die Natur ist klarer Sieger«, prahlt das Unternehmen auf seiner Internetseite und wartet mit dem Satz auf, das Regenwald-Projekt sei »der Beweis dafür, dass Wirtschaft und Naturschutz keine Gegensätze sein müssen«. Richtig ist: Wenn eine im Sauerland ansässige Brauerei in der 5500 Kilometer entfernten Zentralafrikanischen Republik ein Umwelt-Projekt fördert, müssen »Wirtschaft« und outgesourcter »Naturschutz« tatsächlich nicht zwingend Gegensätze sein. Aber oft genug sind sie sogar krasse Gegensätze und prallen krachend aufeinander. Zum Beispiel, wenn junge Männer in 700 PS starken Autos im Kreis herumfahren und das mit dem einzigen Ziel tun, möglichst viel Geld zu scheffeln. Das nennt sich Formel 1 und gehört noch länger zu Krombachers Engagements als der Klimaschutz durch Regenwaldrettung. Als »exklusiver Presenter« der Formel 1 bei RTL ködert Krombacher Kunden mit dem Online-Gewinnspiel »Der Große Preis von Krombacher«, derzeit ist der Hauptpreis eine sechstägige Reise zum »Großen Preis« von Australien 2011 in Melbourne. Hat mal jemand bei Krombacher – nur so aus »Verantwortung« – ausgerechnet, wie viele Bäume im Regenwald am Dzanga River wie lange atmen müssen, nur um den CO 2 -Ausstoß eines einzigen Formel-1-Rennens und der im Flugzeug anreisenden Fans zu kompensieren?
Die Unernsthaftigkeit von Krombacher bestätigt
Weitere Kostenlose Bücher