»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
Regionen Afrikas ist das nicht so einfach«, erklärte Danone und betonte, dass es bei der Aktion (gemeinsam mit den SOS -Kinderdörfern) um nicht weniger als das »Überleben von knapp einer Viertelmillion Kindern« gehe. Wie viel denn der »Actimel«-Käufer mit seiner guten Einkaufstat zum Überleben der Kinder beitrüge, erfuhr er anfangs freilich nicht. Danone speiste seine Kunden mit der vagen Aussage ab, man »garantiere eine Mindestspendensumme im mittleren sechsstelligen Bereich«. Nach Abschluss der Aktion gab Danone die Spendensumme preis, sie betrug 512 000 Euro. Danone erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2009 einen Umsatz von knapp 15 Milliarden Euro und einen operativen Gewinn von 2,29 Milliarden Euro. Aber sicher ist auch: Danones Werbeetat allein für »Actimel« und allein in Deutschland beträgt 50 bis 60 Millionen Euro jährlich, die von den Käufern von »Actimel« bezahlt werden.
Wohin man schaut – es wimmelt von wohltätigen Unternehmen, die ihre Wohltätigkeit vom Abverkauf bestimmter Produkte abhängig machen. Der Bonner Süßwarenhersteller Haribo spendet, begrenzt auf dreieinhalb Monate, für jeden verkauften Goldbären-Beutel einen Cent des Verkaufspreises an »Ein Herz für Kinder« und sichert zu, die Spendensumme aus den Verkäufen nach Ablauf der Aktion zu verdoppeln; wie immer ist Showmaster Thomas Gottschalk werblich mit von der Partie. 1,4 Cent für jede Tafel einer bestimmten Schokoladen-Sorte überwies der schwäbische Hersteller Ritter Sport an Unicef (»1 Packung Quadrago = 1 Tag lernen«), um Schulkindern in Afrika Stifte und Schiefertafeln für den Unterricht zu finanzieren; prominente Fürsprecherin war die Schauspielerin Iris Berben. Für jede verkaufte Packung Fischstäbchen während einer halbjährigen Aktion sammelte Iglo einen Cent für die Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature ( WWF ) und ihren Kampf für die bestandserhaltende Fischerei.
Wenn der Preis und die Qualität eines Produkts nichts mehr hergeben zur Differenzierung von der Konkurrenz, und weil es ohnehin im Trend liegt, sich fürs Klima, die Umwelt und die Mitmenschen als »verantwortlich« zu gerieren, empfiehlt sich für Lebensmittelunternehmen folgendes Vorgehen: Man verpflichte ein aus dem Fernsehen bekanntes Gesicht, diene sich einer Hilfs- oder Umweltschutzorganisation mit dem Argument an, dass man neue Spendenquellen für sie erschließe – und schon ist fertig, was Werber »responsible Marketing« nennen. Man beachte: Das Hauptwort in dem Begriff ist das Wort Marketing. Es geht dabei um nichts anderes als um ein modernes Instrument, um in dem von Werbung überladenen Lebensmittelmarkt frische Aufmerksamkeit zu generieren. »Klar wollen wir mehr Bier verkaufen, der Markt ist hart umkämpft«, sagt Krombachers Marketing-Geschäftsführer auf der Unternehmenswebsite, und man kann sich gut vorstellen, wie er diesen Satz augenzwinkernd ausspricht. Und er fügt hinzu: »Aber wir wollten zugleich ein gesellschaftlich relevantes Thema aufgreifen.«
Genauso ist es: Krombacher und all die anderen Wohltäter wollen nur ein aktuell relevantes Thema »aufgreifen«, von dem sie erwarten, dass es für eine gewisse Zeit einen Mehrwert fürs Unternehmen abwirft; man kann darauf wetten, dass sie das Thema schnell wieder zur Seite legen werden, sobald in der Gesellschaft andere Themen an Relevanz gewinnen und sich »Verantwortung« als Hingucker erschöpft hat. Oder wenn die Konjunktur nachlässt oder die Kapitalgeber murren, man könne sich das verantwortliche Handeln nicht mehr leisten. Das Postulat vom »nachhaltigen Handeln« ist schnell in die schönen Berichte zur »Corporate Responsibility« geschrieben und im nächsten Jahr auch schnell wieder eliminiert. Oder hat man je von einem Unternehmen gehört, das sich für 20, 30, 40 Jahre verbindlich für ein Projekt verpflichtet hätte – denn das wären tatsächlich »nachhaltige« Zeiträume? Oder gibt es ein Unternehmen, das einen wirklich relevanten Anteil seines jährlichen Gewinns für derlei Projekte auf Dauer reserviert hätte? »Eine Packung x für y gute Taten« – das ist ein nettes Give-Away aus der Marketingabteilung, jederzeit verhandelbar, jederzeit kündbar, jederzeit ersetzbar durch eine andere Kampagne. »Ein Päckchen x für y gute Taten« – das ist ein billiges Werbemittel, das der Beworbene zu großen Teilen selbst zahlt, worüber ihn die Unternehmen meist auch noch im Unklaren lassen. »Eine Dose x für y gute
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