»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
Teflon; die Fließbänder der Fertigpizza-Hersteller können deshalb wesentlich schneller und damit kostengünstiger laufen als bei echtem Käse, der schon bei 200 Grad anbrennt.
Neben dieser illegalen Täuschung mit Käse, der kein Käse ist, gibt es eine Form der legalen Täuschung: Gedeckt durch das Gesetz führt der Bäcker seine Kunden hinters Licht, indem er bei seinem Lieferanten billiges Käse-Imitat einkauft, aber dem Kunden an der Theke »überbackene Brötchen« verkauft; er spekuliert darauf, dass der Kunde nicht fragt, womit genau denn das Brötchen »überbacken« ist. Ganz legal jubeln Hersteller und Supermärkte ihren Kunden Mogelkäse unter, indem sie »Gastro-Mix« oder »Pizza-Mix« auf den Imitat-Käse drucken und ihn gleich neben den echten Reibekäse ins Kühlregal legen, dem der falsche Käse hinterm kleinen Sichtfenster in der Packung zum Verwechseln ähnlich sieht; auch diese Unternehmen umgehen bewusst das Wort »Käse« und spekulieren auf den ahnungslosen Verbraucher.
Die systematische Unehrlichkeit zeigt sich auch, wenn Imitathersteller und -verkäufer die Vorzüge des Plagiats herausstellen: Imitat-Käse sei nicht nur billiger als echter Käse und »hygienisch einwandfrei«, wegen des Fehlens von Milch sei er sogar für Menschen mit Laktose-Unverträglichkeit geeignet. So wie Margarine als Butterersatz unter eigenem Namen und in unverwechselbarer Verpackung verkauft wird, könnte auch das Käse-Imitat – als solches deutlich gekennzeichnet – neben dem Original im Kühlregal liegen, beworben mit dem Zusatz »auch bei Laktose-Unverträglichkeit konsumierbar«. Doch genau das unterlassen die Plagiatoren, und es liegt auf der Hand, warum: Sie wollen ihr Produkt nicht als Imitat outen, weil das seine Verkaufschancen extrem schmälern würde. Aus demselben Grund preisen die Hersteller von Imitat-Schinken nicht den geringen Fleischanteil in ihren Erzeugnissen als die »gesündere«, weil fleischärmere Variante an. Die Wahrheit ist: Ihr Interesse ist dem des Verbrauchers genau entgegengesetzt – der eine will wissen, was er kauft, der andere vertuschen, was er verkauft.
Die Politik muss sich entscheiden, wessen Interessen sie stärker gewichten will, das Schutzinteresse der Konsumenten oder die Freiheit der Unternehmen. Die Firmen handeln durchaus rational, wenn sie die Spielräume ausschöpfen, die ihnen die Gesetze lassen. Aber wenn die Spielräume so groß sind, dass Täuschung sich als Geschäftsmodell etablieren kann, ist gesetzlich verordnete Transparenz das einzig probate Gegenmittel. Wenn Verbraucher mit Schinken-Imitat, Plagiat-Käse und vielen anderen Als-Ob-Lebensmitteln systematisch betrogen werden, kann nur noch die Veröffentlichung der Betrüger Waffengleichheit herstellen. Wer betrogen wird, hat ein Recht darauf zu erfahren, wer ihn betrügt. Gefragt ist deshalb nicht weniger als eine Revision des Verbraucherrechts: Die Behörden dürfen die Ergebnisse ihrer Lebensmittelkontrollen nicht länger in Jahresberichten veröffentlichen, in denen kein einziger Produkt- oder Firmenname steht und die zudem erst viele Monate nach den Kontrollen publik gemacht werden. Dem Verbraucherinteresse ist nur gedient, wenn die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen aktuell sind und Ross und Reiter nennen. Wenn es sich dabei nur um wenige »schwarze Schafe« handelt, wie die Verbandsfunktionäre gerne behaupten, sollte der große Rest der Branche auch keinen Grund zur Sorge vor der namentlichen Veröffentlichung haben.
Wie das funktionieren kann, macht Dänemark seit Jahren vor, und was Dänemark kann, sollte auch Deutschland gelingen. Seit 2001 praktizieren unsere Nachbarn vorbildlichen Verbraucherschutz durch das sogenannte Smiley-System. In jedem dänischen Lebensmittelgeschäft, Restaurant oder Imbiss, aber auch in Kantinen, Schul- und Altenheim-Mensen müssen die Betreiber darüber informieren, wie sie bei der letzten Lebensmittelkontrolle durch die Veterinär- und Lebensmittelbehörde abgeschnitten haben. Der Bericht muss an einer gut sichtbaren Stelle aushängen, und damit dessen Quintessenz im Vorbeigehen erfasst werden kann, helfen Smiley-Symbole in wenigen Abstufungen vom traurigen bis zum lachenden Gesicht. Das Urteil der amtlichen Verbraucherschützer ist in Dänemark also kein Staatsgeheimnis wie bei uns, sondern das selbstverständliche Recht jedes Lebensmittelkonsumenten.
Inzwischen halten 97 Prozent der dänischen Verbraucher das Smiley-System für »eine gute oder sehr
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