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»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Bode
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Bußgelder gegen einen Betrieb verhängt werden – ohne dass sich etwas zum Besseren wendet. Und wenn dann wirklich die Behörden einem Gaststättenbetreiber die Zulassung entziehen, dann macht eben der Bruder oder Bekannte weiter – und das Bußgeldspiel geht von vorne los.
    Meist kommt es nur zu Verwarnungen oder zu bescheidenen Bußgeldern gegen Angestellte des Unternehmens. Die einzige abschreckende Wirkung – neben der Veröffentlichung – könnte ein Unternehmensstrafrecht entfalten, bei dem sich die Bußgelder nicht an der wirtschaftlichen Situation einer einzelnen Person orientieren, sondern je nach Umsatz des Unternehmens gestaffelt sind. In Frankreich, Italien und Österreich sind solche Unternehmensstrafrechte in Kraft. Doch in der deutschen Politik ist davon weit und breit nichts zu hören.
    Um den Verbraucherschutz sieht es deshalb immer noch so düster aus, wie es Autoren des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit schon 2002 formulierten, als sie sich über die Flut von minderwertigem Imitat-Schinken Gedanken machten: »Die Problematik ist seit mindestens 15 Jahren bekannt, und die Qualität der Erzeugnisse hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich verschlechtert«, schrieben sie in ihrem Bericht und bilanzierten: »Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die EU -Binnengrenzen für diese Erzeugnisse kein Hindernis darstellen, für die Lebensmittelüberwachung sind sie jedoch innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nahezu unüberwindlich. Ein wirksamer wirtschaftlicher Verbraucherschutz vor wertgeminderten bzw. irreführend bezeichneten Produkten ist unter diesen Umständen bestenfalls nur teilweise zu verwirklichen.«
    Das klingt nach einer stillen Kapitulation, schon im Jahr 2002.
    Unser anonymer Lebensmittelkontrolleur und ehemaliger Metzgermeister sitzt im Zimmer seines Chefs, des Amtsleiters, der selbstverständlich auch anonym bleiben möchte. Die beiden kommen ins Reden, und der Chef erzählt von seiner Kindheit in den fünfziger Jahren, als es zu Hause oft »Lachsersatz« gab. »In den Dosen war meist Seelachs, knallrot gefärbt, als käme er aus der Chemiefabrik, da verging einem fast der Appetit. Aber jedem war klar: Das ist kein echter Lachs. Auf der Dose stand nämlich ganz groß ›Lachs-Ersatz‹.«
    Dahin müssen wir zurückfinden: Zu einer Marktordnung, in der Lebensmittelunternehmer ihre Produkte so kennzeichnen, dass jeder Verbraucher sofort erkennt, was er kauft. Und weil sie das, wie die Erfahrung zeigt, in den seltensten Fällen freiwillig tun, müssen Gesetze sie dazu verpflichten. Es wäre der Anfang vom Ende der stillen Kapitulation vor der Macht und dem Einfluss einer Branche, die uns billige Imitate zum Preis von Originalen verkauft.

8 Wie eine verantwortungslose
Industrie zur Verantwortung gezogen
werden muss
    Millionen von Amerikanern waren baff, als sie am 4. Januar 1954 ihre Zeitung aufschlugen. Damals rauchte man überall hemmungslos – in den eigenen vier Wänden, auf der Straße, beim Autofahren, in Restaurants und in Kinofilmen. An diesem 4. Januar 1954 wandten sich die Chefs der führenden Tabakkonzerne der USA mit einer aufsehenerregenden Anzeige in 448 Tageszeitungen an die amerikanische Öffentlichkeit: Feierlich erklärten die Firmenbosse, dass ihre »Verantwortung« für die Gesundheit der Zigarettenraucher alle anderen Aufgaben der Tabakindustrie »überrage«; sie versprachen außerdem, jedwede Forschung zu unterstützen, um den noch »unbewiesenen« Zusammenhang von Rauchen und Lungenkrebs aufzuklären. Anlass für diese historische Aktion der Zigarettenhersteller waren Medienberichte gewesen, die erstmals vor einer breiten Öffentlichkeit eine Kausalität zwischen Rauchen und Lungenkrebs hergestellt hatten und in deren Folge der Zigarettenkonsum eingebrochen war. Wie man heute weiß, markierte jenes berühmte »Frank Statement to Cigarette Smokers« mit den persönlichen Unterschriften von 14 Zigarettenbossen den Anfang einer jahrzehntelangen, konzertierten Kampagne der Tabakindustrie, die nichts anderes zum Ziel hatte, als die amerikanische Öffentlichkeit auch weiterhin über die krebserregende Wirkung von Zigaretten zu täuschen.
    Angesichts dramatischer Zahlen über ernährungsbedingte Gesundheitsrisiken und volkswirtschaftliche Kosten – zwei Drittel aller erwachsenen US -Amerikaner sind übergewichtig, die Zahl der fettleibigen Kinder steigt dreimal schneller als die der fettleibigen Erwachsenen –

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