Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Bode
Vom Netzwerk:
als Verband setzen uns deshalb für glasklare Kennzeichnungen ein, die Sie, lieber Verbraucher, auch dann noch verstehen, wenn Sie Ihren Einkauf in Eile erledigen müssen oder Ihre Brille vergessen haben. Wir versprechen, Sie in Zukunft nicht mehr mit Kleingedrucktem und Unverständlichem auf den Verpackungen zu belästigen, weil wir Ihr Vertrauen zurückgewinnen wollen.« Doch der Mann herrschte seine Kunden lieber an: »Gucken Sie genau und häufiger hin.«
    So beliebt wie der Ratschlag zur misstrauischen Kontrolle ist auch die Verteidigungsfigur des »schwarzen Schafs«. Das arme Tier wird von Verbandssprechern der Lebensmittelbranche gerne dazu missbraucht, den wahren Zustand zu verschleiern. Wer einmal vor einer Herde weißer Schafe stand und erfahren hat, wie mit einem Blick die wenigen schwarzen Schafe innerhalb von Sekunden in der weißen Masse identifiziert werden können, der kann bei seit Jahren konstant miserablen Beanstandungsquoten von zehn bis über 60 Prozent nicht mehr guten Gewissens von »schwarzen Schafen« sprechen.
    Durch deutsche und ausländische Behörden ist hunderttausendfach belegt, wie minderwertige Lebensmittel mit falschen Bezeichnungen in den Markt gedrückt werden und – weil sie in der Herstellung billiger sind – so den Profit ihrer Hersteller und Vertreiber erhöhen. Statt von »schwarzen Schafen« zu reden, ist deshalb die Feststellung angemessener, dass unzählige Lebensmittelunternehmen nichts anderes als Produktpiraten sind, die die Täuschung ihrer Kunden zum Geschäftsmodell erhoben haben.
    Geradezu absurd ist deshalb die Forderung von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner ( CSU ), die Gastronomie solle sich die »freiwillige Selbstverpflichtung« auferlegen, keine Lebensmittel-Imitate mehr anzubieten. So politisch naiv kann und darf niemand mehr sein in Zeiten globaler Lebensmittelmärkte. Denn warum sollte massenhafter Gesetzesbruch, den schon staatliche Kontrolleure nicht eindämmen können, plötzlich weniger werden, nur weil Verbandsfunktionäre eine entsprechende Selbstverpflichtung abgeben? Die Forderung nach freiwilliger Selbstkontrolle durch die Unternehmen ist ein besonders krasses Beispiel von Imitat-Politik, die de facto jene weiterhin schützt, die endlich wirksam kontrolliert und sanktioniert werden müssten.
    Dabei geht es nicht nur um Verbrauchertäuschung als Gesetzesverstoß. Wie das Beispiel Imitat-Käse zeigt, kommt zur illegalen Täuschung durch falsch gekennzeichnete Billig-Produkte noch die ganz legale Irreführung hinzu. Das System hintergeht den Verbraucher gleich doppelt. Beim ersten Mal ist es dasselbe Muster wie beim Imitat-Schinken: Der Kunde kauft Käsespätzle, Cheeseburger, Käsebrötchen oder Fertigpizza aus der Tiefkühltruhe in der Annahme, es sei auch echter Käse in den Produkten verarbeitet; doch er bekommt nur ein Retortenprodukt aus Eiweißpulver, Wasser, Pflanzenfett und Geschmacksverstärkern untergejubelt. Dieser Mogelkäse sieht zwar aus wie echter Käse, schmeckt wie echter Käse (wahlweise nach Gouda, Mozzarella, Feta …) und zieht Fäden wie echter Käse. Doch das vermeintliche Milch- und Naturprodukt enthält oft nicht einmal mehr eine Spur von Milchfett. Wer solch ein Produkt unter der Bezeichnung »Käse« verkauft, betrügt seine Kunden und verstößt gegen die deutsche Käse-Verordnung und eine entsprechende EU -Verordnung. Doch ganz offenbar ist deren abschreckende Wirkung begrenzt. Von 92 angeblichen »Käsebrötchen«, die Reporter des ZDF -Magazins »Frontal 21« ins Labor brachten, enthielten 35 (= 38 Prozent) keinen echten Käse, baden-württembergische Überwacher beanstandeten von 51 Käse-Proben aus Gaststätten 20 Prozent, weil ihnen Pflanzenfett beigemischt war.
    Die Vorstellung eines irregeführten Kunden, der von der Speisekarte oder aus dem Kühlregal eine »Schinken-Käse-Pizza« bestellt und bezahlt, die weder mit Schinken noch mit Käse belegt ist, müsste die Lebensmittelbranche beunruhigen – immerhin ist ihr Image in Gefahr. Doch der Preisunterschied ist für viele Hersteller dann doch verlockender: Der künstliche Käse ist etwa 40 Prozent billiger als das Original; für seine Herstellung wird keine teure Milch benötigt, und er muss auch nicht monatelang reifen, sondern wird aus seinen Zutaten innerhalb von 20 Minuten zu einer cremigen Masse zusammengerührt. Hinzu kommt, dass der sogenannte »Analog-Käse« bis zu 400 Grad Hitze aushält und damit sogar hitzebeständiger ist als

Weitere Kostenlose Bücher