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»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Bode
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Tages vielleicht auch über den mit allen Mitteln geführten Kampf der Lebensmittelbranche gegen die Ampelkennzeichnung geurteilt werden. Hinter der Nährwert-Ampel steht die vernünftige Idee, die Verbraucher durch die Ampelfarben Rot (hoch), Gelb (mittel) und Grün (niedrig) schnell und einfach erkennen zu lassen, wie viele Anteile Fett, Zucker, Salz und gesättigte Fette ein verarbeitetes Lebensmittel enthält; diese Information wird nicht etwa auf der Rückseite oder irgendwo auf dem Verpackungsrand versteckt, sondern prominent auf die Vorderseite gedruckt, in lesbarer Schriftgröße, und immer in absoluten Grammzahlen bezogen auf 100 Gramm beziehungsweise 100 Milliliter Packungsinhalt, damit auch Produkte verschiedener Hersteller leicht miteinander verglichen werden können. Dagegen wehrt sich die Lebensmittelindustrie mit Händen und Füßen und propagiert stattdessen eine Kennzeichnung, die ausschließlich mit Zahlen und Prozentangaben operiert und ausdrücklich die farbliche Kennzeichnung ablehnt. Wie unbrauchbar diese reinen Zahlenangaben für den Alltag im Supermarkt sind, offenbarte unfreiwillig der oberste Lobbyist der Lebensmittelindustrie, der Hauptgeschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde ( BLL ), Matthias Horst, als ihm Anfang 2009 eine ZDF -Reporterin einen Sechser-Pack-»Fruchtzwerge« auf den Tisch legte.
    »Der Verbraucher kann sich anhand von Zahlen ein objektives Bild verschaffen, welchen Nährwert ein Produkt hat«, sagt Matthias Horst in die Kamera und fügt an – als ahnte er, was kommen würde: »Zahlen sind lästig, das geb’ ich zu, aber es geht nicht anders.« Dann stellt die Reporterin die einfache Frage, wie viel Zucker ein Becher des Sechser-Packs enthält, worauf Horst erst mal angestrengt Luft aus den Backen presst; dann nimmt er die »Fruchtzwerge« in die Hand und antwortet gleich: »Das kann ich Ihnen so nicht sagen.« »Auf der Verpackung steht, dass 100 Gramm 14,4 Gramm Zucker enthalten«, hilft die Reporterin dem schon etwas genervt wirkenden Cheflobbyisten, der dann über die Joghurts gebeugt laut nachdenkt und stammelnd rechnet: »Steht das irgendwo drauf, wie viel der Becher, doch: 100 Gramm. O.k.: 300 Gramm ist die Gesamtmenge, das heißt, 100 Gramm ist ein Drittel davon, sind zwei Becher, und dann müssen wir zwei Becher, ähm«, er schaut zweifelnd, »dann hat ein Becher die Hälfte dieser angegebenen Menge.« »Also etwa 7 Gramm Zucker pro Becher« hilft die Reporterin nach. »Ja«, sagt Horst und schiebt ein fragendes »und?« hinterher, so als sei er sich nicht ganz sicher, ob das mit den 7 Gramm Zucker pro Becher auch wirklich stimmt. Die Reporterin: »Das hat jetzt ganz schön lange gedauert.« »Ja«, räumt Horst ein, »das hat lange gedauert.«
    Mit diesem Auftritt zur Prime Time im deutschen Fernsehen ist Matthias Horst zum Gesicht einer lächerlichen Industriekampagne geworden: Ein Jurist mit Doktor- und Professorentitel, seit vielen Jahren Hauptgeschäftsführer der größten Lebensmittel-Lobbyvereinigung Deutschlands, verheddert sich im Zahlensalat von Nährwertangaben, die auch für Menschen ohne Studium und Doktortitel beim schnellen Einkauf mit zwei Kindern im Schlepptau tauglich sein sollen. Zum Glück für Matthias Horst konfrontierte ihn die ZDF -Reporterin nicht mit einer Rechenaufgabe à la GDA . GDA steht für »Guideline daily amount« und bedeutet soviel wie »Richtlinie für den täglichen Bedarf«. Die GDA -Kennzeichnung von Lebensmitteln ist der Gegenentwurf der Industrie zur Ampel. Lebensmittelriesen wie Danone, Kellogg, Kraft Foods, Nestlé oder PepsiCo verwenden dieses System bereits auf vielen ihrer Lebensmittel, was als eine Art Vorwärtsverteidigung zu interpretieren ist, um das in der EU seit Jahren diskutierte Ampel-Modell zu verhindern. Die Nährwertangaben nach GDA kennzeichnen den Gehalt an Kalorien, Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Salz zunächst in Gramm pro Portion – das ist der erste Teil des ganz offenkundigen Versuchs, den Kunden schlicht auszutricksen. Denn die Gramm-Angaben beziehen sich auf eine Portionsgröße, die der Hersteller willkürlich vorgibt. Klar, dass die Firmen gerne möglichst kleine Portionen wählen, weil dadurch sowohl die absolute Menge zum Beispiel des darin enthaltenen Fetts schrumpft, aber auch der relative Anteil dieser Fettmenge an der empfohlenen Fettzufuhr pro Tag. Je kleiner die Portion, auf die sich die Angaben beziehen, umso unbedenklicher

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