Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)
Nicht einmal im Jahr!«
Wir folgen seiner Einladung und fahren mit ihm in das Dorf Nyombé. André Foka bittet uns zu warten, er will sich umziehen. Er kommt wieder, gekleidet in eine elegante Toga und eine weiße Kappe. Offenbar gehört er nicht zu den ganz Armen. Heute hat er zu einer Versammlung der Kleinbauern geladen.
Sieben weitere Bauern und ein Anwalt nehmen Platz an einem Tisch auf der Veranda. Jetzt wird mir klar, dass André Foka der Anführer der Gruppe ist. Als junger Mann hatte er als Ingenieur in einer Plantage gearbeitet. Ihn habe ich noch einigermaßen gut verstanden, doch das Französisch der anderen Kleinbauern ist so sehr mit afrikanischen Ausdrücken durchsetzt, dass ich von nun an auf unsere Übersetzerin angewiesen bin.
Ein jüngerer Bauer, Bernard Nsoh, hat Lagepläne mitgebracht: »Das war die Parzelle, die sie uns weggenommen haben. Sie haben unsere Kulturen zerstört und Bananen darauf gepflanzt.« Er redet so schnell, dass die Übersetzerin kaum nachkommt. »Der zuständige Beamte hat alles gezählt, damit wir eine Entschädigung bekommen. Aber er hat uns nie einen Abschlussbericht vorgelegt. Wir haben uns beschwert. Dann kam er und legte uns ein Papier vor: Unterschreibt das! Wir sind vor Gericht gegangen, aber dort hörte uns niemand, weil wir uns mit mächtigen Leuten angelegt hatten.«
Seit 16 Jahren schleppt sich das Gerichtsverfahren hin. Die Bauern wollen nicht aufgeben. Heute haben sie einen Anwalt aus der Hauptstadt Yaoundé eingeladen. Einen, der kein Honorar verlangt.
Als Vorsitzender des »Ländlichen Rates für die Entwicklung der Landwirtschaft« weiß Pascal Nkwe Makongo, dass Landkonflikte wie dieser immer häufiger werden: »Die Konzerne wissen, dass Afrika arm ist. Sie kommen, um unser Land zu kaufen.«
Auch der Anwalt stammt aus einem Dorf, seinem Duktus merkt man den Politaktivisten an: »In Kamerun gibt es ein altes Gesetz, das besagt, dass alles Land dem Staat gehört. Aber der Staat arbeitet mit den multinationalen Konzernen zusammen und gibt ihnen unser Land. Er verpachtet es für 100 Jahre.« Mit energischen Handbewegungen führt der engagierte Jurist seine Rede fort, als ob er schon das Plädoyer vor Gericht halten würde: »Wird ein Mensch hier in Kamerun 100 Jahre alt? Nein. Wenn Sie einem Dorf das Land für 100 Jahre wegnehmen, dann töten Sie die Bevölkerung. Die Leute sind doch nach 50 Jahren schon im Sarg. Wir werden ohne Land sterben.«
Am nächsten Tag besuchen wir den Markt im Zentrum des Dorfes. Teile des Marktplatzes sind von riesigen Pfützen bedeckt. In den einigermaßen trockenen Bereichen haben die Marktfrauen ihre Plastikplanen auf dem Boden ausgebreitet. Wenn man sieht, mit welcher Sorgfalt sie die Bananen aufeinanderschichten, dann wird schnell klar, dass hier keine Früchte vergeudet werden.
Unsere Übersetzerin Pochi Tamba sucht ein Restaurant für uns. Es gibt wie üblich nur ein Gericht. Sie muss grinsen: Schon wieder Kochbananen. Sie werden hier Plaintain genannt, und eigentlich finde ich sie ganz lecker, sie werden oft mit einem spinatähnlichen Gemüse vermischt. Aber jetzt gibt es schon den dritten Tag nichts anderes, morgens, mittags und abends. Roland, der Kameramann, meckert als Erster: »Diese Kochbananen kommen mir langsam zu den Ohren heraus.«
Kochbananen sind hier auf dem Dorf nach wie vor die Basis der Küche. Doch sie werden zunehmend verdrängt von Brot. Mobile Verkäufer bringen es überall hin. Einer balanciert seine Kiste mit Brot besonders elegant auf dem Kopf. Er heißt Ebenezer und sagt, er sei 15 Jahre alt.
In Schwarzafrika ist Brot eigentlich erst seit der Kolonialzeit bekannt. In Kamerun sind die Brotkulturen der Kolonialherren bis heute sichtbar: Im englischsprachigen Nordwesten gibt es das weiche britische Toastbrot, während im französischsprachigen Südosten nur Baguette gebacken wird. Tragisch ist nur, dass im tropischen Klima Kameruns mit Ausnahme weniger Bergregionen gar kein Weizen wächst. Doch in den Städten ist es inzwischen das Grundnahrungsmittel Nummer eins. Eine tragische Entwicklung, die immer mehr Menschen betrifft, weil heute fast die Hälfte der Bevölkerung in den Städten lebt. Sie alle hängen am Tropf der Weizenlieferungen aus Europa und Amerika.
Wenige Stunden später treffen wir Ebenezer wieder – am Rande der Überlandstraße. Hier halten die Busse und Sammeltaxis, die ins Landesinnere weiterfahren. Behände balanciert der junge Verkäufer den großen Pappkarton mit den
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