Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)
ihres Chefs zu halten. Zu unterschiedlich waren die Auffassungen darüber, was noch gut ist und was weggeworfen werden muss. »Er sagt, ich bin zu dickköpfig«, fasst Véronique das letzte Gespräch zusammen.
Sie bleibt voller Hoffnung. Ich erinnere mich an ihren Keller voller Matratzen, Decken und Kleider. Von ihrem Hilfsarbeitergehalt hatte sie sich noch Geld abgespart, um nützliche Gebrauchsgegenstände für ihre Familie in Kamerun zu kaufen. Jetzt will sie nach Deutschland kommen, weil sie gehört hat, hier seien gebrauchte Lkws günstiger als in Frankreich. Damit sie ihre Schätze in die Heimat zur Familie bringen kann. Eine unglaubliche Frau. So mutig, so lebenslustig, so dickköpfig; ich wünsche ihr, dass sie es schafft.
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Von Kochbananen und britischem Toastbrot
Ein kräftiger Hieb mit der Machete, und die Bananenstaude fällt herunter – einem Träger auf die Schulter. Mit einer Schiebelehre misst der Vorarbeiter, ob die Bananen auch den vorgeschriebenen Mindestdurchmesser erreicht haben. Dann ruft er den Mann mit der Machete zur nächsten Staude.
Wir sind in Kamerun, in den »Plantations du Haut Penja«, der größten Bananenplantage des Landes, am Fuß des Kamerunberges gelegen. Doch den sieht man eigentlich nie. Auch heute ist der Himmel wolkenverhangen. Das Klima hier ist feucht und heiß, optimal für Bananen. Der Direktor der Plantage, Hilaire Tsimi Zoa, führt uns in die Sortierstation, eine große Halle ohne Seitenwände, mitten in der Plantage gelegen.
Hier werden die Früchte an ein Laufband gehängt, genau vermessen, zerteilt, in einem riesigen Wasserbecken gewaschen und sorgfältig in Kisten gepackt. »An uns Bananenproduzenten werden immer mehr Anforderungen gestellt«, klagt der Direktor. »Die Supermärkte und Importeure in Europa geben uns immer mehr Normen vor: die Größe der Frucht, die Länge, ja sogar die Anzahl der Bananen an einem Strunk.«
»Die Rechnung bezahlt der Verbraucher in Europa. Alle Früchte, die nicht den strengen Normen entsprechen, werden entweder an uns zurückgegeben oder vernichtet. In dieser Plantage müssen wir durchschnittlich acht Prozent der Ernte aussortieren. Und es wird immer mehr.« Dazu kommen noch die Verluste beim Transport nach Übersee.
Am Rand der Halle stapeln sich die »Müllbananen«. Die Arbeiter dürfen sich hier bedienen. Die meisten Früchte aber werden auf einen völlig verrosteten Lkw geladen. Arbeiter kippen die aussortierten Bananen einfach auf der Ladefläche aus, auf einen mehrere Meter hohen Haufen. »Dabei geht leider das meiste kaputt. Aber wir haben keine anderen Abnehmer aus unserem Land, die eine Summe zahlen können, die auch nur annähernd unsere Kosten deckt«, erklärt der Direktor.
Die Sortierstation liegt auf einem kleinen Hügel. Von hier sieht man Bananen, nichts als Bananen. Auf den Schotterwegen der Plantage hört man laut tuckernd Mopeds fahren – nicht selten beladen mit drei oder vier Personen. Es sind Kleinbauern auf dem Weg zu ihrem Feld.
André Foka hat so ein Stück Land am Rand der Bananenplantage: »Alles ist besetzt. Wie im Krieg. Wenn man noch freies Land finden will, muss man mehr als zehn Kilometer gehen. Wie sollen wir das machen?« Er hat eine schmutzige Mütze auf dem Kopf, mit Stofflappen, die auch Ohren und Nacken vor der stechenden Sonne schützen.
Mit einem langen Stock erntet er Papayas. Die Spitze ist mit Stoff umwickelt, damit er die Früchte nicht beschädigt. Die Bäume sind hoch, bestimmt sechs Meter, entsprechend lang ist der Stock. Ein kurzer Stoß, und die Papaya fällt herunter. Geschickt fängt der Bauer sie mit der Hand auf.
Die Papayabäume sind das Letzte, was ihm noch geblieben ist: »Die Bananenplantage hatte schon 110 Hektar. Für uns Kleinbauern im Dorf blieben immerhin noch 63 Hektar Land.«
André Foka wischt sich den Schweiß von der Stirn: »Man hat uns einfach gesagt, dass wir weggehen müssen. Die Bananenplantage hat uns ein Protokoll zur Unterschrift vorgelegt, in dem es hieß, sie werden unser Land nehmen.«
Ein ungleicher Kampf: 34 Kleinbauern gegen eine große Plantage. »Ich bin 64 Jahre alt. Noch kann ich kämpfen, aber wie lange noch? Sehen Sie die Ausschläge auf meinen Lippen? Ich habe Malaria.« André Fokas sonore Stimme überschlägt sich: »Kommen Sie uns besuchen, dann sehen Sie, wie wir die Malaria behandeln – mit Kräutern. Medizin können wir uns nicht leisten. Fragen Sie meine Kinder, meine Frauen, ob wir uns Fleisch leisten können.
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