Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)
sind an den Preisschwankungen nicht in erster Linie die Spekulanten schuld, die an den Warenterminbörsen mit Weizen zocken? Wir besuchen die Börse in Amsterdam – die älteste der Welt. Hier begann es im 17. Jahrhundert mit dem Warenterminhandel. Agrarprodukte waren der Beginn, heute noch kann man am Börsenplatz, gegenüber der heutigen Börse, das große Gebäude sehen, in dem noch im 19. Jahrhundert Getreide und Kartoffeln gelagert wurden. Später wurde der physische Handel durch Aktien verdrängt.
Bas Dijkman, Broker bei einem großen Finanzdienstleister, erklärt sich bereit, uns durch die Börse zu führen. Er war lange im Ausland, kennt den Handel von Asien bis Amerika. Für ihn ist klar: »Die Spekulation sorgt nur für die wilden Ausschläge. Aber die wahre Ursache für den Preisschub liegt in der Nachfrage.«
Wir gehen durch die Sicherheitsschleuse in das Börsengebäude. Das Parkett, auf dem die Händler laut schreiend und gestikulierend Aktien verkaufen, gibt es nicht mehr. Heute vollzieht sich der Handel nur noch über den Computer. Die Halle ist in ein Großraumbüro umfunktioniert worden. Riesige Computerbildschirme zeigen die Kurse von Soja, Rohöl, Baumwolle.
Bas Dijkman versucht zu erklären, wie er die letzte Welternährungskrise sieht: »Es gab 2007 zu viel freies Kapital auf dem Weltmarkt, das nach besseren Renditen suchte. Aber es wäre niemals auf den Agrarmarkt gewandert, wenn es dort keinen Nachfragedruck gegeben hätte.« Große Fonds, die viel Geld bewegen, reagierten dabei auf Langfristprognosen, die eine immer größere Lücke zwischen der tatsächlichen Ernte bei Agrarrohstoffen und dem Bedarf sehen.
»Zum Beispiel: Als im Herbst 2010 gemeldet wurde, die Weltlagerbestände bei Weizen reichen nur noch für zwei Monate, zogen die Preise erneut an.« In den 1980er-Jahren galt eine Weizenreserve von sechs Monaten Weltbedarf als Minimum. Über viele Jahrzehnte waren die Lager mehr als übervoll. So viel Knappheit wie heute gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.
Bas Dijkman sieht kaum Hoffnung für die Zukunft: »Es sieht zwar so aus, als ob es einige asiatische und afrikanische Länder aus der Armutsfalle schaffen werden. Aber was passiert, wenn sie die Kaufkraft bekommen, um sich Getreide von den Warenterminbörsen zu leisten? Ganz einfach: Die Nachfrage steigt und damit die Preise.« Seine Stimme senkt sich: »Gut, die Nachfrage ist heute schon da, aber noch können sich die meisten das Getreide einfach nicht leisten.«
Der Broker sieht die Welt in einem Teufelskreis gefangen: »Ich sehe nicht, wie das besser werden könnte, weil auf der Angebotsseite nicht viel passiert. Das wird ein echtes Problem.« Die Angebotsseite: Das sind die für den Menschen bestimmten Nahrungsressourcen. Und die wachsen langsamer als die Weltbevölkerung. »Während in den vergangenen 15 Jahren große Teile der Welt erfreulich reicher wurden«, analysiert Joachim von Braun, »stieg gleichzeitig die Zahl der Hungernden von 820 Millionen auf mehr als eine Milliarde Menschen.« Es geht in erster Linie um die Verteilung: Eigentlich produzieren wir genug, um alle Menschen auf der Erde satt machen zu können. Doch während die Nahrungsmittel für uns immer billiger werden, können sich die Ärmsten der Armen immer weniger leisten.
Wir alle haben unseren Anteil an diesem Preisdruck, mit unserem Lebensstil: Würden wir weniger Lebensmittel wegwerfen, dann würden auch die Getreidepreise auf den Rohstoffbörsen sinken, und die Hungernden dieser Welt könnten sich mehr Essen leisten. Auch wäre der Agrarmarkt weniger interessant für die Spekulanten, die heute für die heftigen Preisausschläge an den Börsen verantwortlich sind.
Doch bald schon könnte eine gerechtere Verteilung immer schwieriger werden, meint der Agrarökonom: »Die Ressourcen unseres Planeten sind begrenzt, und die Menschen in den aufstrebenden Schwellenländern wie China wollen immer mehr Fleisch essen.« Deshalb fordert er einen Rettungsschirm für die Hungernden: die Einrichtung einer Weltgetreidebank, die durch Lagerhaltung und gezielte Verkäufe die Ausschläge an den Börsen ausgleichen soll.
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