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Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Titel: Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kreutzberger , Valentin Thurn
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Handschlag, man kennt sich. Der Koch schiebt eine grüne Tonne aus der Küche. Mit einer Hebebühne wird die Tonne nach oben gefahren. Der Speiserestesammler öffnet die Luke auf dem Tank. Eine braungrüne Brühe wird sichtbar, in der einzelne Orangen und andere Früchte schwimmen.
    Ein lautes Platschen ertönt, als der Inhalt der Tonne in den Tank kippt. Dann spült er mit seiner Wasserspritze die Tonne sauber und fährt zurück zum Bauernhof. Denn Siegfried Wißbrock ist gleichzeitig Schweinemäster. Doch seine Schweine bekommen nichts von dem, was er da sammelt. Schuld daran ist das EU – weite Verbot. »Man sagt, dass über die Speisereste Krankheiten übertragen werden könnten.«
    Siegfried Wißbrock steuert seinen Lkw in eine große Halle, vor einen gigantischen Edelstahltank: »Hier passen 30   000 Liter rein. Ich habe den Tank so umgebaut, dass wir die Speisereste auf 100 Grad erhitzen konnten. Diese Behandlung überlebt kein Krankheitskeim.«
    Das bestätigt auch Uwe Kohl vom Bundesverband der Nahrungsmittel- und Speiseresteverwertung: »Es gibt keinen einzigen Fall, in dem ein Bauer, der Speisereste ordnungsgemäß erhitzt und verfüttert hat, einen Ausbruch der Schweinepest oder einer anderen Seuche zu verantworten hatte. Seuchen sind nur dann ausgebrochen, wenn die Speisereste nicht erhitzt wurden.«
    Siegfried Wißbrock hat uns zum Bauernfrühstück mit Leberwurst geladen. Seine Frau bringt Kaffee, auch sein Sohn setzt sich zu uns. Im Garten schnattern die Gänse: »Das ist mein Hobby«, erklärt der 13-Jährige, »damit habe ich auf der Züchterschau einen Preis gewonnen.« Mich interessiert allerdings noch viel mehr das Angebot im angeschlossenen Hofladen: erntefrischer Spargel und Erdbeeren. Wie das duftet!
    Während sich die meisten Bauern heute auf ein einziges Produkt spezialisieren, hat Wißbrock neben seinen 500 Schweinen noch Gemüse- und Getreidefelder: »Das hat zum Beispiel den Vorteil, dass ich den Dünger aus dem Stall auf dem Acker verwenden kann.« Er führt uns in einen seiner Schweineställe. Wir dürfen uns nur langsam bewegen: »Die Sauen sind sehr schreckhaft.«
    »Mein Vater hat schon Speisereste verfüttert. Wenn das Verfütterungsverbot nicht gekommen wäre, dann hätten wir jetzt schon seit über 40 Jahren Speisereste im Einsatz. Das war ein optimales Schweinefutter«, ärgert sich der Bauer. »Heute bekommen die Schweine hauptsächlich Getreide und Sojaschrot.« Er legt einen Hebel um: Aus einer Röhre fließt eine breiartige Masse in die Futtertröge. Die Tiere eilen sofort herbei und stürzen sich laut grunzend auf das Futter.
    »Der Sojaschrot kommt vorwiegend aus Amerika«, ärgert er sich weiter. »Er wird nach Europa importiert. Das ist verrückt, aber es ist nun mal Realität. So werden riesige Mengen an Ressourcen vergeudet. Würde man die erhitzten Speisereste verfüttern, könnten wir große Mengen an Getreide und Sojaschrot einsparen.«
    Und was passiert jetzt damit? »Heute werden Speisereste vor allem in Biogas-, Müllverbrennungs- und Kläranlagen entsorgt«, erklärt Siegfried Wißbrock. Alle zwei Wochen ist sein Tank voll, dann pumpt er den Brei in einen großen Tankwagen und fährt damit zum nächsten Biogas-Kraftwerk. In ganz Deutschland sind solche Anlagen in den letzten Jahren hochgezogen worden – begünstigt durch Subventionen.
    Der Bauer lenkt seinen Lkw äußerst bedächtig. »Der Tank ist jetzt fast voll, da muss man vorsichtig in die Kurven fahren, sonst schwappt die Brühe auf die Straße«, erklärt Wißbrock. Auch seine Ausdrucksweise ist bedächtig, der Westfale spricht langsam und kontrolliert. Aber sein Ärger über die unsinnigen Regelungen ist dennoch spürbar: »Das sind umweltpolitisch sicherlich nicht die besten Wege. Denn so werden weder Vitamine noch Proteine genutzt.«
    Verbandsgeschäftsführer Uwe Kohl versucht, einen Umschwung der politischen Meinung herbeizuführen: »Es war eine sehr effiziente Lösung, das, was wir nicht mehr essen wollen, an die Mastschweine zu verfüttern. Wir haben dabei die höchste Wertschöpfung gehabt, es gab einen Kreislauf vom Teller über die Tonne zum Mastschwein wieder zum Teller.«
    Doch die beiden Großkonzerne Saria und Veolia, die den deutschen Biogasmarkt beherrschen, machen in Berlin die bessere Lobbyarbeit. »Um die Speisereste zu ersetzen, brauchen die deutschen Bauern jetzt 400   000 Tonnen mehr Getreide«, rechnet Uwe Kohl. Dazu kommen noch die Supermarktabfälle, die ebenfalls nicht

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