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Die Essenz der Lehre Buddhas

Die Essenz der Lehre Buddhas

Titel: Die Essenz der Lehre Buddhas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalai Lama
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mahayanistischen Motiven können wir den Anschauungen einer der vier Schulen des buddhistischen Denkens zuneigen.
    Ichlosigkeit
    Ichlosigkeit, das Nichtvorhandensein eines bleibenden Wesenskerns, ist die Essenz dessen, was der Buddha lehrte. Buddhistische Denker haben diesen Gedanken der Ichlosigkeit unterschiedlich interpretiert. Sie haben Schicht für Schicht abgeschält, was an der Ich-Vorstellung nicht plausibel ist. Dabei haben sie sich gleichzeitig bemüht, nicht alles in Bausch und Bogen zu negieren. So haben wir jetzt einen ganzen Fächer von Anschauungen zu diesem Thema. Sie reichen von einer Verneinung der Dauerhaftigkeit bis hin zur Verneinung eines in den Dingen selbst liegenden Seins, einer Eigenexistenz. Im ersteren Fall werden die Vergänglichkeit und der Augenblickscharakter des Menschen als seine Ichlosigkeit aufgefasst, im letzteren Fall ist Ichlosigkeit als das Nichtvorhandensein eines im Menschen selbst liegenden Seins definiert.
Wir können uns die verschiedenen Auslegungen der Ichlosigkeit als Sprossen einer Leiter denken, die hinauf bis zur letztgültigen Sicht der Dinge reicht. Auf jeder nächsthöheren Sprosse entdecken wir immer subtilere Aspekte des Daseins und immer subtilere Antworten auf die Frage, inwiefern man von uns und der Welt sagen kann oder nicht sagen kann, dass wir existieren oder sie existiert.
    Worin bestehen nun diese verschiedenen Deutungen? Am unteren Ende der Leiter haben wir die beiden Hinayana-Philosophien Vaibhashika und Sautrantika. In beiden wird dem Menschen ein dauerhafter Ich-Kern abgesprochen, während alle anderen Phänomene, etwa die körperlichen und geistigen Anteile der Persönlichkeit, nicht verneint werden. Diese Auffassung der Ichlosigkeit konzentriert sich auf den Aspekt, dass der Mensch nicht autark, nicht unabhängig ist. Anhänger dieser Denktraditionen bemühen sich, diese Abhängigkeit oder Bedingtheit in ihrem eigenen Sein zu erkennen.
    Für die Philosophen der nächsthöheren Sprossen, auf denen wir die Cittamatra oder »Nur-Geist-Schule« und die noch subtilere Madhyamika oder »Schule des Mittleren Weges« finden, ist diese Definition der Ichlosigkeit zu eng gefasst. Diese Mahayana-Philosophen dehnen die Ichlosigkeit auch auf die Bestandteile der Person aus, auf die körperlichen und geistigen »Daseinsgruppen« oder »Anhäufungen« (Skandhas) , aus denen sich unser Sein zusammensetzt. Nach ihrer Auffassung muss der Gedanke
der Ichlosigkeit alles Existierende umfassen. Solange an irgendeinem Ding etwas von einem Ich oder Selbst-Wesen ist, solange ihm ein Eigensein zugeschrieben wird, so ihre Argumentation, besteht immer die Möglichkeit, dass wir an ihm haften oder ihm mit Widerwillen begegnen.
    Nur-Geist
    Wir akzeptieren vielleicht die Idee, dass es neben den Anteilen, aus denen wir bestehen, nicht auch noch ein Ich oder einen Wesenskern gibt, der getrennt und unabhängig von diesen Teilen existiert. Aber wie wenden wir diesen Gesichtspunkt der Ichlosigkeit dann auf die Dinge an, die unser Lebensumfeld ausmachen? Nach den Aussagen der Nur-Geist-Schule fassen wir die Objekte ringsum als natürliche Bezugspunkte unserer Gedanken, aber auch der Bezeichnungen auf, die wir für sie verwenden. Ein Haus scheint die Grundlage für den Namen zu sein, den wir ihm geben: »Haus«. Darin ist unterstellt, dass Wände, Dach und Fundament etwas enthalten, aufgrund dessen man das aus diesen Teilen Zusammengesetzte ganz selbstverständlich »Haus« nennt. Es gibt aber im Haus oder seinen Teilen nichts, wodurch es zum natürlichen Träger des Namens »Haus« wird. Es »Haus« zu nennen, ist einfach eine Konvention und hat sonst keine
Basis. Ein bestimmtes Gefüge aus Holz und Nägeln oder Steinen und Putz wird »Haus« genannt.
    Die Nur-Geist-Philosophen gehen noch weiter und sagen: Wenn wir äußere Objekte wie Tische und Stühle wahrnehmen, handelt es sich dabei lediglich um das »Ausreifen« von etwas, das viel früher in Gang gesetzt wurde. Ich nehme einen Tisch nicht deshalb wahr, weil er tatsächlich im Raum vor mir existiert, sondern weil etwas im anfangslosen Kontinuum meiner Geistes-Augenblicke Angelegtes jetzt reif wird und sich manifestiert. Deshalb ist der Tisch, den ich sehe, nicht von meiner Wahrnehmung getrennt; er ist vielmehr von derselben Natur wie mein Geist, der ihn wahrnimmt. Der Name »Nur-Geist« besagt, dass Subjekt und Objekt, der Geist und das von ihm Wahrgenommene, nicht-zwei sind.
    Unter diesem Gesichtspunkt, dass der Geist und seine

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