Die Essenz der Lehre Buddhas
besitzen. Zum Erlangen der Buddhaschaft ist es jedoch darüber hinaus notwendig zu erkennen, dass alle Phänomene, wir eingeschlossen, ohne ein Ich oder eigenes Sein sind. Gemäß der Sicht der Dinge, die der Buddha Shakyamuni in seinen Sutras der vollkommenen Weisheit vortrug, sagt auch Nagarjunas Madhyamika-Schule,
man müsse, um die Qualen des Samsara hinter sich zu lassen, die Ichlosigkeit so tief erkennen wie ein Bodhisattwa in seinem Streben nach der All-Erkenntnis eines Buddha.
In den Sutras der vollkommenen Weisheit sagt der Buddha:
Die dem Pfad der Hörer folgen möchten, müssen sich in der Vervollkommnung der Weisheit üben.
Die dem Pfad der einsam Verwirklichten folgen möchten, müssen sich in der Vervollkommnung der Weisheit üben.
Und die sich auf den Pfad der Bodhisattwas einlassen möchten, müssen sich ebenfalls in der Vervollkommnung der Weisheit üben.
Hörer und einsam Verwirklichte haben, ihrem Hinayana-Streben folgend, Freiheit vom Samsara erlangt. Bodhisattwas streben nach der endgültigen Freiheit der Buddhaschaft. Sie alle müssen sich in der Vervollkommnung der Weisheit üben: Sie müssen ihre Erkenntnis der Ichlosigkeit vervollkommnen.
Kapitel 4
Die vier edlen Wahrheiten
U m unser Leben zu ändern, müssen wir uns erst einmal eingestehen, dass unsere gegenwärtige Lage unbefriedigend ist. Der Wunsch, einen spirituellen Weg des inneren Wandels zu gehen, wird sich erst regen, wenn wir erkennen, wie leidvoll unser gegenwärtiger Zustand im Grunde ist. Wären wir zufrieden mit unserem Leben und glücklich, welchen Grund gäbe es dann, nach Veränderung zu streben? Deshalb besagt die erste edle Wahrheit, die der Buddha lehrte, dass Leid das eigentliche Kennzeichen unseres Daseins ist.
Wenn wir uns unsere gegenwärtige unselige Lage eingestehen, ergibt sich daraus ganz natürlich die Frage, wie es dazu gekommen ist. Deshalb erklärt die zweite edle Wahrheit die Ursprünge unserer leidvollen Verfassung. Nach buddhistischer Anschauung liegt der Grund für unsere Nöte im zyklischen Dasein in unseren getrübten Gefühlen, die uns zu egoistischem Verhalten verleiten. Unser eigennütziges Handeln macht uns dann unglücklich und verstärkt unsere Neigung zu ungutem Verhalten, was weiteres Leid nach sich zieht. Zu dieser tragischen Verkettung, die sich über viele Leben hinziehen kann und immer noch mehr Leid erzeugt, kommt es durch unser Handeln, das in unserem Festhalten an der Vorstellung
eines Ichs im Kern unseres Seins wurzelt. Aus diesem Festhalten an einem Ich wird eine Bevorzugung des Ichs, die uns auf jede nur erdenkliche Art Befriedigung suchen lässt. Darüber hinaus versuchen wir uns gegen alle Bedrohungen unseres Glücks abzusichern. Aus dieser Sicht gründet unser Unglück also in Ursachen – unserem körperlichen, sprachlichen und ganz besonders unserem geistigen Verhalten –, die unserem Festhalten an einem Ich-Kern entspringen.
Würden wir erkennen, dass dieses Ich letztlich gar nicht existiert, wir würden schon dadurch weniger zu eigennützigem Verhalten neigen, und dieser instinkthafte Hang, uns immer weitere Leiden aufzubürden, würde verschwinden. In der dritten edlen Wahrheit lehrt der Buddha, dass alles Leid endet, wenn wir seine Ursachen bereinigen.
Unser Festhalten an einem Ich-Gefühl und die übersteigerte Wertschätzung dieses Ichs bilden zusammen eine tief eingefleischte Gewohnheit. Um an solchem Gewohnheitsverhalten etwas zu ändern, bedarf es vieler Jahre der geistigen Schulung. Wenn wir uns gänzlich vom Samsara lösen wollen, werden wir etliche Leben der spirituellen Praxis widmen müssen. In seiner vierten edlen Wahrheit lehrt der Buddha, dass wir uns auf den Weg der geistigen Schulung machen müssen, der zur Befreiung vom Samsara führt.
Eigentlich legte der Buddha die vier edlen Wahrheiten unter drei verschiedenen Gesichtspunkten dar. Zuerst benannte er sie und sagte:
Dies ist die Wahrheit des Leidens.
Dies sind die wahren Ursprünge (des Leidens).
Dies ist das wahre Aufhören (des Leidens).
Dies ist der wahre Weg zum Aufhören.
In der zweiten Gruppe von Aussagen zeigte der Buddha auf, wie man das Wissen um die vier edlen Wahrheiten in der Praxis umsetzen kann. Er sagte:
Das Leiden muss erkannt,
sein Ursprung bereinigt werden.
Das Aufhören muss verwirklicht
und der Weg geübt werden.
In der dritten Gruppe von Aussagen wird das wahre Wesen der vier edlen Wahrheiten erkennbar: Auch sie besitzen letztlich kein ihnen selbst innewohnendes Sein,
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