Die Eule - Niederrhein-Krimi
Florian einquartieren. Karin, überlege, die werden uns schon in Ruhe lassen, die wollen bestimmt nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten, das können die sich nicht erlauben, sonst wird ihr heiliger Laden aufgelöst. Meinst du, die riskieren das?«
Hannah hatte inzwischen ihre erreichbare Umgebung völlig mit der schokoladigen Masse eingesaut und blickte ihre Eltern glücklich an. Maarten stand auf und lief, um einen feuchten Waschlappen zu holen.
»Na, mein kleines Schokomonster, wollen wir zwei ein bisschen ans Meer fahren?«
Hannahs Augen leuchteten. Schöner, als mit Papa im Garten zu werkeln, fand sie, mit ihm zusammen Auto zu fahren. Ihre natürliche Gesichtsfarbe kam wieder zum Vorschein.
»Auto?«
»Klar, mit dem Auto fahren wir zu Onkel Geerd. Ich ruf ihn gleich an.«
Karin stand auf. »Ich gehe ins Bad und fahre dann ins Büro. Vielleicht haben wir irgendwas Wichtiges übersehen, was die GdW betrifft. Ich schwöre dir, die kommen uns nicht zu nahe.«
Die Entschlossenheit in ihren Augen kannte Maarten, in diesem Zustand war sie nicht zu stoppen.
* * *
Die Regionalbahn RE 5 verschaffte Gero von Aha eine Tour durch das eher ländliche Friedrichsfeld, durch das wohnliche Voerde, von wo aus es durch das dicht besiedelte Dinslaken vorbei an immer mehr Industrieflächen durch Sterkrade, Holten und Oberhausen bis zum Hauptbahnhof Duisburg ging. Kilometer für Kilometer roch und sah es immer mehr nach Ruhrgebiet mit seiner Mischung aus heruntergekommenem Charme und gebautem Neuaufbruch aus.
Im morgendlichen Tran hatte Gero von Aha am Weseler Schalter verstanden, dass er in der Revierstadt auf Gleis drei ankommen würde, dann vierundzwanzig Minuten Zeit hätte, auf Gleis zwölf zu gelangen, um von dort mit dem Intercity IC 2357 in einem Rutsch Erfurt zu erreichen, was ihm sehr gelegen kam. So konnte er sein eigentliches Aufwachen auf ein paar Stunden später verschieben. Er fühlte sich großartig, folgte seiner Intuition, pfiff auf die Vorschriften und würde am Ende mit dem entschlüsselten Geheimnis um Con, der faszinierenden Sektenführerin von Wesel, glänzend dastehen.
Der Zug fuhr fast pünktlich in den Hauptbahnhof ein, der Kommissar fand mühelos seinen Platz im Großraumabteil, richtete sich ein und strich sich die Augenbrauen glatt. Nachdem sich der IC 2357 sanft in Bewegung gesetzt hatte und schnell an Geschwindigkeit gewann, meldete sich die Zugbegleitung über die Bordanlage und wünschte allen Zugestiegenen eine angenehme Fahrt, die voraussichtlich um zwölf Uhr neunundzwanzig in Erfurt enden würde.
Der Kommissar blickte aus dem Fenster auf die vorbeifliegende Landschaft, nickte ein, verschlief die Stationen Essen, Bochum, Dortmund, ein paar andere ebenfalls und schreckte in Kassel-Wilhelmshöhe hoch, als er einen dunkelhäutigen Servicemitarbeiter »Einen Kaffee, der Herr?« fragen hörte. Gero von Aha orderte einen Becher, schlürfte das dunkle Getränk mit kritischer Miene, kein Genuss, aber der Schuss Koffein erfrischte ihn. Er griff beherzt zum Laptop, legte sein Handy bereit. Kurz vor Erfurt holte ihn eine Stimme mitten aus den guten Ansatzpunkten, die er für seine Ermittlungen gefunden hatte. Die Zugbegleiterin verabschiedete die Reisenden über die Bordanlage, und die Ansage endete mit dem mittlerweile legendären Satz »Sänk ju for trrräveling wis Deutsche Bahn«.
Gero von Aha konzentrierte sich erneut auf das Laptop. Die Zeit drängte, er war noch nie in Thüringen gewesen, hatte einiges sondiert und organisiert – alle Achtung, Herr von Aha, versuchte er sich selbst anzufeuern. Der sanft gleitende IC 2357 verlangsamte seine Geschwindigkeit, das Ziel »Erfurt« kam in Sichtweite.
Er stand staunend auf dem Bahnsteig, sein bewundernder Blick glitt nach oben auf die avantgardistische Glaskuppel. Wer gerade eben durch das marode Ruhrgebiet gefahren war, konnte durchaus neidisch werden. Aber konnte man so etwas aufrechnen? Was scherten ihn Gefühle und Politik! Gero von Aha rief sich zur Ordnung. Er hatte einen klaren, wenn auch selbst erteilten Auftrag, und er stand unter Erfolgszwang, sonst würde ihn die Kommissariatsleiterin daheim noch mehr fertigmachen, als sie es ohnehin tun würde. Keine Frage, er stand unter enormem Druck.
Wie gut, dass er noch im Zug per Handy die Landesbeauftragte für die Stasi-Untersuchungen erreicht hatte, die in vorbildlicher Weise am Samstag an ihrem Schreibtisch Akten abarbeitete. Sie hatte sofort und ohne Frage nach seiner Legitimation
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