Die Eule - Niederrhein-Krimi
mittelstädtische Behördenapparat hatte diesen unkonventionellen Vorstoß mit bürokratischer Sturheit und niederrheinischer Innovationsfurcht abgeblockt. In Person einer Vorgesetzten, die zudem noch eine entfernte Ähnlichkeit mit seiner Ex hatte. In Rekordzeit war er zum Störenfried der Gemächlichkeit und der Beharrenden geworden.
Ja, würdigen die denn nicht meinen Spürsinn? Merken die nicht, dass man Weitblick haben und ganz nah dran sein muss, wenn es einen verzwickten Fall wie diesen gibt? Die können mich mal mit ihrem Berichtswesen, den ewigen Besprechungen, ihren Kostenstellen und dem Anschleimen an Staatsanwaltschaft und Behördenleitung, schrie Gero von Ahas Hirn.
Als sich in diesem Augenblick der dunkle Wolkenberg öffnete und einen nicht enden wollenden Sturzbach von Regen entließ, stellten sich zuerst seine Augenbrauen noch steiler auf, und dann fasste der geflüchtete Kommissar sekundenschnell einen Entschluss. Er würde für den besonderen Aha-Effekt im Weseler Kommissariat sorgen, rief ein Taxi, griff sich seinen Rucksack, stopfte Laptop, Kamera, Handy, einen Ordner mit Dateiauszügen und Kopien hinein und ließ sich zum Bahnhof fahren. Er begab sich schleunigst zum Schalter in der aufgepeppten Bahnhofshalle, die optisch so sehr im Widerspruch zum schäbigen Backstein des Gebäudes und des geschlossenen Bahnhofshotels nebenan stand.
»Einmal Hin- und Rückfahrt nach Erfurt, bitte.«
Es war Samstagmorgen, und dieser Tag hatte sich offensichtlich Gero von Aha ausgesucht.
* * *
Karin Krafft erwachte aus traumlosem, tiefem Schlaf. Am Vorabend hatte sie lange mit Maarten auf der Terrasse vor dem knisternden Feuerkorb gesessen und das Für und Wider ihres Einsatzes bei der Weseler Sekte durchgesprochen. Er machte sich große Sorgen um ihrer aller Sicherheit, zumal aufgeweckte GdW-Mitglieder sehr schnell den Trick mit Johannas Adresse durchschauen würden. Sie war so erschöpft gewesen, dass selbst Maartens Ankündigung, er habe noch eine Überraschung, sie nicht auf den Beinen halten konnte. Sie war todmüde ins Bett gefallen.
Es war wie ein Déjà-vu-Erlebnis, alles schien bekannt, wiederholte sich. Wieder war es Samstag, Karin konnte dank ihres umsichtigen Liebsten, der sich rührend um ihre Tochter kümmerte, länger in den Federn bleiben. Ein kleines munteres Wesen bahnte sich wuselig seinen Weg ins Schlafzimmer und erklomm das große Bett. Karin ließ sich die zarten Weckversuche gefallen, das Zupfen der Nase, das Piksen der Lippen. Erst als kleine Finger versuchten, sich in ihre Augen zu bohren, schoss sie auf und knuddelte ihre Tochter so lange, bis diese herzhaft kicherte.
»Geh runter und sag dem Papa, die Mama kommt gleich.«
Hannah wackelte zur Tür und verschwand. »Mama tommt, Paapaa, Mama tommt.«
In der Küche erwartete Karin ein opulent gedeckter Tisch mit einem riesigen Blumenstrauß in der Mitte. Sie kramte in ihrem Gedächtnis, um den Grund für diese festlich dekorierte Tafel zu finden. Geburtstag vergessen? Nein. Maarten stand in ihrem Rücken und küsste sie zart in den Nacken.
»Lass mich raten, du überlegst gerade, was das zu bedeuten hat. Nein, ich habe nicht Geburtstag, ich habe auch kein schlechtes Gewissen, und du musst auch keins haben. Ich wollte nur diesen speziellen Morgen zu einem ganz besonderen machen und habe einen Anlass gesucht.«
Sie drehte sich um. »Und offensichtlich hast du etwas gefunden. Was feiern wir? Oh, ich möchte aus diesem Hemd raus, warte, ich zieh mich schnell an.«
Er hielt sie an den Schultern fest. »Bleib genau so, ich mag, wenn du gerade aus dem Bett kommst, das steht dir. Setz dich erst und bedien dich. Schau, auch das kleine Kind zu deiner Linken sieht schon ganz hungrig aus.«
Ein leckeres Frühstück, Schinken, Käse, selbst gekochte Marmelade für knackige Brötchen, ein frisch gekochtes Ei, in der Mitte noch weich, genau richtig, und aus dem Nichts stand plötzlich ein kleines schwarzes Schmuckdöschen auf ihrem Tellerrand. Karin starrte es an.
»Für mich?«
Maarten nickte amüsiert, schien den Moment der Überraschung zu genießen. »Für meine Karin. Das solltest du schon in der Nacht bekommen, mach auf.«
Karin öffnete die Dose und fand im Inneren einen Silberring, auf dessen Rund ihr der Umriss des Xantener Doms entgegenprangte. Sie nahm den Ring aus der Verpackung und drehte ihn zwischen den Fingern. Der Dom, das Gotische Haus, die Michaelskapelle, das Rathaus, die Kriemhildmühle, ein ganzer Stadtrundgang
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