Die Eule - Niederrhein-Krimi
ihren Beißer auf den Weg geschickt, der, so vermutete von Aha nach ihren begeisterten Ausrufen, sofort zufasste und nie losließ, wenn er eine Spur gewittert hatte, die zu alten Stasiverstrickungen zu führen versprach. Von Aha fürchtete, einen Fanatiker vorgesetzt zu bekommen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
»Unser Mitarbeiter ist normalerweise im ehemaligen Gefängnis an der Andreasstraße eingesetzt. Das ist heute Gedenkstätte mit Dokumentation und so weiter. Vielleicht haben Sie schon einmal von ihm gehört. Er hat vor dem Landesgericht München I im April letzten Jahres durchgesetzt, dass ein enttarnter Stasioffizier, der aber nie verurteilt wurde, heute mit seinem vollen Namen öffentlich genannt werden darf. Das ist eine Entlastung für die Verfolgten, denn bisher hatten die Stasitäter Erfolg, wenn sie gegen die Nennung ihres Namens klagten. In den Wirren der Wendezeit hatte sich dieser Mann bei uns Dissidenten eingeschlichen, um uns auszuspionieren. Er hat unsere Debatten befeuert und wie ein Freiheitskämpfer an vorderster Front gegen die DDR protestiert. Der war immer vorne dabei und hat darüber sofort massenweise Berichte geschrieben und an die Stasi weitergeleitet. Der Freund, ein Verräter. Wir dürfen weiter öffentlich sagen, was der Kerl angerichtet hat, der kann sich nicht davonschleichen in die Anonymität. Sie glauben ja nicht, wie gut das dem Gerechtigkeitsgefühl tut.«
»Heißt das, die hiesigen Akten sind alle erhalten? Gibt es jemanden, der einen inhaltlichen Überblick hat? Ich brauche Belege, aber ich kann nicht erst tonnenweise Papiere sichten. Ich brauche jemanden, der mir schnell hilft.«
»Ja, da sind Sie hier richtig. Herr Beißer ist der absolute Fachmann. Wenn Sie ihn von Ihrer Sache überzeugen, hängt er sich völlig rein.«
Kaum zu fassen, der hieß wirklich Beißer. Gero von Aha streckte sich lang, er hatte den ersten Volltreffer gelandet. Sein Näschen dafür, dass der Weseler Fall alte Wurzeln in Erfurt hatte, hatte ihn geleitet. Es war nicht das erste Mal, dass er eigene Wege in einer Ermittlung ging und sich plötzlich alles wie von selbst entwickelte. Was würde nun kommen, könnte er die Fäden in der Hand halten, oder würden sie ihm am Ende entgleiten? Er schwankte zwischen Spannung und Unsicherheit.
»Hallo, sind Sie noch da?« Die Landesbeauftragte reagierte irritiert auf Gero von Ahas unbewusste Schweigeminute. Zudem verschlechterte sich die Verbindung zu seinem Handy, er lauschte konzentriert.
»Bitte merken Sie sich Folgendes, seien Sie um achtzehn Uhr im Restaurant ›Übersee‹, in der Innenstadt … am Ufer der Gera … schicke Ihnen umgehend eine Stadtführerin zum Bahnhof … verbummelte Politikstudentin … sehr engagiert … eine von uns … erspart die Sucherei auf dem Stadtplan.«
Das Handy rauschte bedenklich, als ihre Stimme noch einmal klar zu ihm durchdrang. »Wie sind Sie zu erkennen?«
Gero von Aha reagierte wie ein Großteil der mobil kommunizierenden Menschen, er ersetzte fehlende technische Übertragungsleistung durch eigene Lautstärke.
»Ich warte beim Fahrkartenverkauf. Ich habe eine moderne Hornbrille und starke Augenbrauen.«
Er zog einige Silben in extreme Länge. »Meine Haaaaare sind dunkel, duuunkel, besonders die Restfrisur über den Oooohren. Die Frau soll an eine Eule denken, man sagt, ich hätte Ääääähnlichkeit mit einer Eule.«
Eine Gruppe von Studenten in seiner Nähe hatte unweigerlich zugehört, die jungen Leute glucksten vor Vergnügen.
»Eine Eule ist doch lautlos und weise …«
»Gräm dich nicht, Alter, du siehst doch megaintelligent aus …«
Gero von Aha blickte in die Scheibe eines einlaufenden Zuges, lächelte sein Spiegelbild an. Die Beschreibung war doch treffend. Sie würde ihn finden.
* * *
Burmeester saß schon am PC , als Karin Krafft eintraf.
»Sag nichts, Johanna hat mich schon über den offiziellen Charakter unserer Beziehung informiert. Sie war ganz aufgelöst, nachdem ihre Bekannte aus dem Kurs wieder fort war. Ich krame alles Mögliche nach Informationen über die ›Gerechten der Welt‹ durch, Zeitungsarchive, Illustrierte, selbst bei der Blöd-Zeitung habe ich schon angefragt, so weit nichts. Jetzt gehe ich die Informationen der Sektenbeauftragten des Landes NRW durch. Ganz viel Scientology gibt es da, Okkultismus, ich arbeite mich durch.«
»Ein guter Mann denkt mit.«
»Danke. Schatz.«
Karins Augen blitzten auf, bevor sie antworten konnte, lenkte er ein.
»Sorry, aber
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