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Die Eule - Niederrhein-Krimi

Die Eule - Niederrhein-Krimi

Titel: Die Eule - Niederrhein-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Thomas u Wirth Hesse
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lauschen konnten, die ein ferner, imaginärer Chor für den großen Auftritt am Abend probte. Das war Lebensart, fand Gero von Aha, als die Straßenbahn weiterzockelte.
    »Da, da ist sie«, weckte ihn die Stadtführerin aus seinen Betrachtungen. »Die alte Stasi-Zentrale an der Andreasstraße«, deutete sie linker Hand zum Fenster.
    Das repräsentative Gebäude strahlte Macht aus, aber auch versteckte Gefahr. Wer hierin einst Unrecht begangen hatte, tat es verborgen vor aller Augen.
    Vorbei an der Andreaskirche, die einst Hort der Protestler während der Wende war, ging es weiter Richtung Universität. Als die markante Architektur der Unibibliothek, die wie ein Schiff mit gläsernem Oberdeck auf dem Campus ankerte, in Sicht kam, drückte Christiane auf das Haltesignal und riss den Kommissar am Ärmel hoch.
    »Wir müssen hier raus«, spornte sie ihn zur Eile an.
    Sie holte die Karte mit den eingezeichneten konspirativen Wohnungen hervor. Zügig gingen sie in eine Nebenstraße, vorbei an einer Behinderteneinrichtung des CJD , und bogen linker Hand in die Mühlhäuser Straße ein.
    Gero von Aha schaute sich um in dieser viel befahrenen Wohnstraße mit Siedlungshäusern aus den sechziger Jahren und hohen verzierten Fassaden aus der Gründerzeit. An einem veilchenblauen alten Mietshaus blieben sie stehen. Es hatte passenderweise als »Veilcheneck« firmiert, bevor der Gastwirt die Segel strich. Nun war es ein reines Wohnhaus.
    Die Tür öffnete sich, ein paar schlaksige Studenten kamen palavernd heraus, stöhnten über die anstehende Klausur und planten den Abend bei der preiswerten Preview des neuesten Kinofilms, um den ersparten Eintritt anschließend in den benachbarten irischen Pub ›Dubliner‹ zu tragen. Dort hofften sie, beim kneipeninternen Quiz so viele Getränkegutscheine zu gewinnen, dass sich der Abend richtig lohnte. Die Truppe genoss augenscheinlich das Studentenleben. Gero von Aha beneidete sie einen Moment lang.
    Er sprach einen der jungen Männer an. »Mahlzeit, Deutschland, guten Morgen, liebe Studenten. Wir suchen die Nummer zweiundsiebzig. Wisst ihr, wo der Eingang ist?«
    Abschätzige Blicke trafen ihn.
    »Ja, wissen Sie, die ungraden Hausnummern sind immer auf einer Seite, und das hier ist Nummer siebzehn, das Veilcheneck. Na? Genau, die geraden Zahlen findet man gegenüber. Wohl nicht ganz ausgeschlafen, wie?«
    Gero von Aha lachte. »Sorry, sollte nur ein kleiner Einstiegsscherz sein, das mit Mahlzeit. Die Zweiundsiebzig sehe ich, klar. Dort sind mehrere Wohnungen leer. Tut sich da nichts?«
    »Suchen Sie eine Wohnung? Dann müssen Sie schnell zuschlagen, bevor das Semester wieder beginnt. Einige Zimmer sind aber schon länger leer. Im Parterre lebt eine ältere Frau, immer freundlich, aber ein bisschen versponnen. Klingeln Sie da doch mal.«
    Die Studenten entfernten sich bestens gelaunt und nicht ohne eine Serie von SMS verschickt zu haben, mit denen sie sich für den Abend verabredeten. Gero von Aha holte seine Kamera heraus, fotografierte das Haus, in dem sich laut Plan eine der alten konspirativen Wohnungen befand. Dann wechselten er und Christiane die Straßenseite, und er drückte auf den untersten Klingelknopf. Nichts geschah. Missmutig kickte der Kommissar einen Kieselstein vom alten Plattenpflaster des Bürgersteigs. Dann öffnete sich die Tür.
    Der älteren Frau waren viele Geschichten eingefallen, Begebenheiten aus einem einfachen Leben, von mancher Drangsal, aber auch von Vergünstigungen, die sie im Zusammenhang mit der Stasiwohnung und wechselnden Benutzern erlebt hatte. Ihr Mitteilungsdrang war unerschöpflich, dafür umso ermüdender gewesen. Nun wusste von Aha, dass ein Offizier der Stasi in der Wohnung neben ihr gewohnt und sie belästigt hatte. Der Mann wollte seine eigene Dreiraumunterkunft um ihr Zimmer mit Kleinküche erweitern und hatte zu diesem Zweck seine Position ausgenutzt. Nebenher war er offensichtlich ein Säufer gewesen, fuhr unbehelligt alkoholisiert mit seinem Dienstwagen vor und wand sich mit dem Hinweis auf seine wichtige Tätigkeit für den Staat aus den Fängen der Volkspolizei. »Vor den Augen und Ohren aller Nachbarn. So war das mit den Leuten, die mit ihren Kontakten prahlten und sich alles meinten erlauben zu können. Aber die gibt es ja überall«, hatte die Frau geschimpft.
    »Ja, ja, solche Leute könnte ich ihr auch bei uns nennen, die Leistung durch Seilschaft ersetzen. Gibt es in allen Gesellschaften.«
    Gero von Aha ereiferte sich, während

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