Die Eule - Niederrhein-Krimi
Christiane besänftigend an seine Seite rückte. Sie gingen, und er spürte plötzlich die Hand von Christiane, die sich in seine schob. Sie drückte ihren Daumen fest in seine Handfläche, er drückte zurück. Ein herzliches, ein warmes Gefühl durchströmte den zerzausten Kommissar, der ungläubig seitlich zu der mindestens zehn Jahre jüngeren Stadtführerin blickte. Seit Jahren hatte er nicht mehr so viel Sympathie erlebt, seit Ewigkeiten nicht mehr so direkt Nähe gespürt. Er, der kühle Fahnder, der sich als einsamer Wolf und Querdenker verstand.
Sie schaute offen zurück und lächelte. »Es ist zum Kugeln, wie du dich aufregst. Was hast du erwartet? Dass das Mastermind aus dem tiefen Westen in den wilden thüringischen Osten kommt und angesichts dieser Erleuchtung sofort in einem Akt der Befreiung die Vergangenheit aufarbeitet? Die Frau hatte einfach Redebedarf und hat dich als freundliche und verständnisvolle Eule identifiziert, die ihr zuhört. Selbst ich weiß nicht, was du genau willst. Also kann ich dir auch nicht besonders effektiv helfen.«
Gero von Aha hob die buschig gekrümmten Augenbrauen als äußeres Zeichen seiner Nachdenklichkeit. Ja, sie hatte recht. Wenn er als Kriminaler ohne offizielle Erlaubnis seiner Weseler Dienststelle als Einzelkämpfer in Thüringens Landeshauptstadt Spuren der fernen Vergangenheit nachforschte, konnte er nicht mit schnellen Erfolgen rechnen. Er fühlte immer noch die Hand von Christiane in seiner und wusste, er konnte Vertrauen zu ihr fassen.
Was hatte diese Spur gebracht? Sie führte in die Leere. Nicht einmal der von der alten Frau nur geraunte Name des trunkenen Offiziers war ihm aus der Recherche bekannt. An diesem Punkt brauchte er nicht mehr weiterzuforschen. Dennoch hielt sich Gero von Ahas Enttäuschung in Grenzen. Er fühlte sich wohl, mit Christiane gemeinsam unterwegs zu sein. Unerwartet wohl. Eine beschwingende Erkenntnis, wie er fand. Und eine vertrauenerweckende. Er beschloss spontan, die angelernte Vorsicht des Kriminalisten abzulegen.
»Ich erzähle dir die Geschichte. Die, wie ich vermute, hinter dem Mordfall von Wesel und Xanten steckt. Und wegen der ich in Erfurt bin.«
* * *
»Du bist schon da?«
Maarten stand neben seinem heiß geliebten Hollandrad und schnallte Hannah auf einem Kindersitz fest. Umsichtig setzte er ihr die Miniversion eines Schutzhelms auf, als Karin in der Einfahrt aus ihrem Wagen stieg.
»Komm, hol dein fiets , ich habe der Kleinen versprochen, dass es noch ein lekker ijsje gibt. Wir fahren nach Xanten ins Eiscafé Teatro.«
Karin überlegte kurz, der Tag hatte sie geschlaucht, ihr Bedürfnis lag exakt zwischen Beinehochlegen im Garten und Mitfahren.
»Kann man dort mittlerweile wieder in Ruhe sitzen?«
»Was meinst du?«
»Na, die ganze Umgestaltung des Marktes hat sich doch unter anderem wegen euren neugierigen Archäologennasen in die Länge gezogen. Ständig mussten deine Kollegen wichtige historische Funde sichern und verzögerten die Fertigstellung des Platzes. Als ich zum letzten Mal in der Stadt gewesen bin, saßen die Menschen beim Teatro an den Tischen direkt vor dem Bauzaun, hinter dem ein munterer Bagger brummte und stank. Das war eine groteske Szene.«
Maarten lachte laut auf. »Das habe ich auch gesehen, das hatte was von der Manie meiner Landsleute, Picknick an der Autobahn zu zelebrieren. Nee, nee, der Platz ist fertig, und die restlichen Arbeiten am Kanal ruhen um diese Uhrzeit bestimmt.«
Sie radelten vorbei an dem kleinen Hafen, der vor den Toren Lüttingens entstanden war, Xantens eigene Marina im Verbund der Seenplatte aus ehemaligen Baggerseen, hinlänglich bekannt als Nord- und Südsee. Sie kreuzten das kaum befahrene Reststück der alten Bundesstraße. Die nun sehr ruhig frequentierte Tankstelle lag neuerdings statt an der Durchfahrt an einem Parkplatz.
»Seid ihr heute weitergekommen?«
»Den Fall der versuchten Erpressung haben wir mit Aussicht auf Aufklärung an das zuständige Dezernat weiterreichen können. Ein wichtiger Zeuge, also zunächst noch als Zeuge angesehener Diakon aus Kevelaer, konnte heute nicht befragt werden, da er für einen Tag an die Nordsee gefahren ist. Das Gesicht in den Wind halten und den Kopf durchpusten, sagte seine Frau.«
»Siehst du, noch ein Meeresliebhaber. Was wollt ihr von einem Diakon?«
An der farbenprächtig renovierten Polizeiwache vorbei radelten sie in Richtung Rathaus. Die Tische beim Einstein lagen bereits im abendlichen Schatten, waren
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