Die Eule - Niederrhein-Krimi
atmete einmal tief durch, rieb sich die Hände, blickte zu seinem Rechtsbeistand, der von alledem nichts mitbekommen hatte und gedankenversunken mit einem Ministift auf sein BlackBerry tippte. Er weiß genau, wer sie ist, dachte Tom, und steht in keiner unbelasteten, zufälligen Beziehung zu ihr. Da ist mehr.
* * *
Während die thüringische Landschaft an den Fenstern des ICE Richtung Duisburg vorbeiflog, steckten zwei Fahrgäste im Bordrestaurant die Köpfe zusammen. Vor ihnen standen zwei Tassen Kaffee. Der Inhalt der einen kühlte langsam auf eine nicht mehr genießbar zu nennende Temperatur ab, während die andere nach dem ersten Schluck mit einem angewiderten »Bäh« zur Seite geschoben wurde. Gero von Aha verfluchte seinen auserlesenen Geschmack in solchen Situationen. Hier würde es niemals das Aroma ausgewählter Kaffeebohnen geben, und eine mittelmäßige Mischung beleidigte seinen Gaumen.
Er lauschte seinem Gegenüber mit gesteigertem Interesse und vergaß darüber sein Heißgetränk. Was man ihm mit dünner Stimme zuraunte, verdichtete sich zu einer Geschichte, deren Tragweite noch weiter reichte, als die ihm bekannten Fakten, die er bisher in Erfurt gesammelt hatte, bewiesen. Gero von Aha wies den Kellner, der die halb vollen Tassen abräumen wollte, unwirsch ab, keine Unterbrechung, keine neue Plörre, ihnen stand nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung.
»Erzählen Sie weiter, die Geschichte ist unglaublich. Unglaublicher, als ich mir bisher vorstellen konnte.«
Wieder neigten sich die Köpfe zueinander, zwei ernste Gesichter über abgekühltem Kaffee rauschten mit Tempo zweihundert durch das grüne und fast leere Land gen Westen.
* * *
Im fliegenden Wechsel betrat Karin den Raum, während Tom hinter Con und ihrem Keifer herhechtete, um sie nicht aus den Augen zu lassen.
»Nun zu Ihnen, Herr van Laak, geborener Stricker.«
»Ich habe meinen Anwalt mitgebracht.«
»Das sehe ich wohl, ich frage mich nur, wozu? Das hier wird eine harmlose Befragung darüber, ob Sie wussten, dass Frau Garowske und Sie den gleichen Geburtsnamen haben.«
Van Laak wirkte erschöpft und senkte seinen Blick. Sein Anwalt blickte von seinem elektronischen Kleinod auf, als habe er plötzlich gemerkt, dass er im Dienst ist. Er zückte eine Karte aus einem edlen Holzkästchen, reichte sie der Hauptkommissarin, die sie zur Seite legte.
»Mein Mandant braucht keine Aussage zu machen. Im Gegenteil, wir erwägen eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie aufgrund der Hatz quer durch die Niederlande durch die Androhung einer internationalen Fahndung.«
Schon wieder, dachte Karin, das wird die van den Berg begeistern.
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Herr van Laak, Ihr Geburtsname ist Stricker. Sie stammen ursprünglich aus Erfurt, richtig?«
Van Laak schaute irritiert auf, dann schien ihm ein Licht aufzugehen. »Sie sind bei Alexander Stricker gewesen, ich weiß. Der Junge hat sich auch zu den ›Gerechten der Welt‹ geschlichen. Was meinen Sie, wie entsetzt ich war, als ich es erfuhr.«
Sein Anwalt hielt ihn an zu schweigen, er wies ihn ab wie ein lästiges Insekt.
»Ich frage Sie jetzt ganz direkt, Herr van Laak. Sind Sie mit Cornelia Garowske verwandt?«
Der Mann sank noch ein Stück in sich zusammen, rang nach Worten, wünschte sich anscheinend an einen anderen Ort. Schließlich schaute er Karin Krafft mit müden Augen durchdringend an.
»Wenn ich das mal genau wüsste.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wissen Sie, ich stamme ursprünglich aus der DDR . Ich bin in einer Pflegefamilie aufgewachsen, das war kein Zuckerschlecken, glauben Sie mir. Die wollten einen Hundertfünfzigprozentigen aus mir machen, den vorbildlichen Jungpionier, immer mit der Fahne voran. Fragen nach meiner Herkunft hatte es nicht zu geben, genauso wenig wie Individualität, eigene Meinungen und Jeans aus dem Westen. Davon träumten auch wir, nur mit vielen Tricks kriegten wir mal eine zu Gesicht, meist an den Beinen meiner ehrenhaft erziehenden Eltern. Stattdessen gab es Prügel für schlechte Leistungen, Verweise für Unordnung im Kleiderschrank, und für das aufgeschlagene Knie gab es ebenfalls eins hinter die Ohren wegen Unachtsamkeit. Immer musste ich dankbar sein, meine Dankbarkeit nach außen tragen, denn der Junge hatte es ach so gut. Der Junge aus einer gescheiterten Familie, über die man nicht sprach. ›Politische waren das‹, flüsterten sie hinter vorgehaltener Hand. Ich fing mir eine Ohrfeige ein, wenn ich fragte, was
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