Die Eule - Niederrhein-Krimi
ist nicht einfach für Sie, über Ihre Vergangenheit zu sprechen. Sagen wir es mal so, jeder trägt sein Päckchen mit sich herum.«
Cons Blicke trafen ihn im Rückspiegel hart und stechend. »Was die Vergangenheit bewirkt, wissen Sie genau, nicht umsonst laufen Sie als schriller Papagei durch die Welt. Ihnen fehlte es an mütterlicher Zuwendung, die holen Sie sich jetzt ersatzweise aus Ihrer Umwelt. Sie brauchen das, provozieren die positiven oder negativen Resonanzen auf Ihr Äußeres. So jemand will reif genug für den Umgang mit Menschen sein.«
Karin erinnerte sich an exakt diesen Punkt der Fahrt, an dem selbst dem taffen Burmeester jegliche Erwiderung im Halse stecken blieb. Wortkarg hatten sie Con in den Befragungsraum gesetzt und sich hinter der verspiegelten Scheibe über die Vorgehensweise ausgetauscht. Tom Weber sah ein, dass diese Frau nicht zu überzeugen war und ihnen eine gute Strategie einfallen musste.
»Karin und du abwechselnd, jeweils mit mir. Ich mache den verständnisvollen Beamten, ich besorge Kaffee und Wasser, beruhige meine hitzigen Kollegen, das wird schon funktionieren.«
Sie mussten sich eingestehen, dass Con sie gleich zu Anfang der Befragung durchschaut hatte. Stumm und regungslos fixierte sie einen Punkt an der Wand hinter ihrem jeweiligen Gesprächspartner. Ihre Mimik fror ein, sie schien flach zu atmen, ignorierte den Kaffeebecher, das Wasserglas, die vorgelegten Ausdrucke der Stasi-Akten mit dem Decknamen Honett. Die Kommissare ließen in dem Zusammenhang beiläufig den Namen Stricker fallen, nichts, sie war geistig nicht mehr ansprechbar. Niedergeschlagen beobachteten sie die würdevoll dasitzende Frau aus dem verborgenen Beobachtungsraum.
Karin Krafft fühlte sich in ihrer Prognose bestätigt. »Und jetzt?«
Burmeester reckte sich. »Wie, und jetzt?«
Tom Weber rieb sich die Augen, das künstliche Licht trocknete seine Bindehaut aus, wenn er stundenlang im Befragungsraum arbeitete.
»Und jetzt muss uns was wirklich Gutes einfallen, sonst müssen wir sie wieder laufen lassen.«
* * *
Der Abschied fiel ihnen schwerer, als sie es am Vortag geahnt hätten. Unter der sonnendurchfluteten Glaskuppel des Erfurter Hauptbahnhofs umarmten sich der Kommissar Gero von Aha und die Stadtführerin Christiane.
»Du kommst bestimmt zurück, und wir schlürfen ganz dekadent Sekt bei einem Open-Air-Konzert auf dem Domplatz, ja?«
»Bestimmt. Und anschließend gönnen wir uns eine Flasche Rotkäppchen im Übersee.«
Menschenmengen hasteten an den beiden vorbei. Eine Person stand im Abseits und beäugte die beiden unwillig.
»Als krönenden Höchstgenuss bewahren wir uns den roten Krimsekt für das ›Später‹ in einer gewissen Dachwohnung auf.«
Gero von Aha löste sich sanft aus der ungewohnten Gefühlsduselei, an die er sich durchaus gewöhnen könnte. »Erst mal muss ich im Westen für Ordnung sorgen. Dank deiner Hilfe wird die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen.«
Christiane lachte auf, von Aha reagierte mit fragenden Blicken. Sie erläuterte, was ihr durch den Kopf ging.
»Ich musste gerade daran denken, dass es früher für jede hervorragende Leistung eine Urkunde oder einen Orden gab. Manche Leute heben heute noch ganze Kartons oder Aktenordner voll davon auf.«
Feierlich tätschelte sie das Revers seiner Jacke. »Hiermit verleihe ich dem hochverdienten Genossen Gero von Aha den Herzensorden am Band für seinen selbstlosen Einsatz als Ritter für Gerechtigkeit und Liebe.«
Von Aha salutierte, schlug die Hacken ungeübt hart aneinander und krümmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Christiane lachte und konnte sich kaum einkriegen, bis Gero mit einstimmte.
Sie trennten sich mit einem unausgesprochenen Abschiedsgruß.
* * *
Bevor Burmeester protestieren konnte, fiel Karin ihm ins Wort. »Ich werde ihr Beugehaft androhen.«
Tom Weber schüttelte den Kopf. »Da musst du aber erst mal den Staatsanwalt überzeugen. Dass er diese weise ältere Dame wegsperren lässt, halte ich für ein Gerücht.«
»Der muss noch nicht eingeschaltet werden. Wenn Gefahr im Verzug ist, können wir das eigenmächtig entscheiden. Ich gehe da rein und sage es ihr.«
»Stopp!« Burmeester hielt sie auf. »Das geht nicht. Erklär mir mal ganz objektiv und plausibel, warum von dem vermeintlichen Opfer eine Gefahr ausgeht?«
»Nicht von ihr persönlich, aber durch ihr Schweigen nimmt sie andere in Schutz, die uns garantiert weiterhelfen können. Sie übt Macht aus, die gegen uns gerichtet
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