Die Eule - Niederrhein-Krimi
Burmeester fühlte sich schlecht. Der Abend hatte Karin so gutgetan, einen Spaziergang zum neu eröffneten Xantener Hafen vor Lüttingens Toren hatten sie nach ihrer Rückkehr aus Wesel gemacht, sich kurz den Wind um die Nase wehen lassen und die ausgebaute Anlegestelle für Tretboote und das Miniausflugsschiff ›Seestern‹ begutachtet, mit dem man sich über die Seenplatte zwischen Vynen und Lüttingen schippern lassen konnte. Ausgelassen hatten sie dann den Abend vor dem Fernseher verbracht, sich über die Kölner »Tatort«-Kommissare gewundert, die sich mal wieder auf unkonventionellen Wegen vorbei an der Staatsanwaltschaft und knapp im legalen Rahmen bewegten. Karin reagierte amüsiert.
»Das müsste sich bei uns jemand erlauben, der Haase würde im Dreieck springen und die van den Berg Abmahnungen schreiben. ›Dienstaufsichtsbeschwerde‹ heißt das böse Wort, stundenlange Rechtfertigungen, mündlich, schriftlich, ich bin nicht scharf darauf, als Kommissariatsleitung in so einen Vorgang involviert zu sein. Derjenige kann sich warm anziehen.«
Sie hatten angestoßen, sich gegenseitig versichert, so etwas wie in Köln gäbe es bei ihnen nicht!
Nun schlich Burmeester kurz hinter dem Weseler Bahnhof in geduckter Haltung dicht an den Sträuchern neben der Bahnlinie in Richtung Glaubenszentrum der GdW. In seinem Nacken saß nagend sein schlechtes Gewissen. Was machte er hier? Was trieb ihn zu einer illegalen Tat, deren Ergebnisse in keiner Art und Weise rechtlich relevant oder gerichtlich verwertbar sein würden? Er wollte wissen, wer noch Teil dieser Gemeinschaft war, von wo Rückendeckung für Con oder verharmlosende Verschleierung zu erwarten war und wem sie trauen konnten. Wie viele Menschen waren dieser obskuren Gruppe schon beigetreten? Bestes Beispiel war die Bekannte aus der Yogagruppe von Johanna Krafft. Kaum gab es Neuigkeiten, wurden anscheinend Späher ausgesendet, um zu prüfen, auszuspionieren.
Die Straße Am Blaufuß war kurz nach elf menschenleer. Würden die uniformierten Mannsbilder von der Security auch nur einen Blick auf die Fahrbahn werfen, könnten sie ihn erkennen. Tarnfarbene Kleidung wäre nicht schlecht, daran hatte er nicht gedacht. Burmeester schaute kritisch auf seine kanarienfarbene Hose, die im Dunkeln zu leuchten schien. Dumm. Ein Schnellzug rauschte hinter den Brachlandsträuchern an ihm vorbei. Jenseits der Gleise lag die Stadt, auch diesseits weiteten sich die Wohnviertel aus. Dort leben Menschen mit einem verkehrsgünstigen Blick aus dem Fenster und ungeschützt vor dem Lärm der Schienenstrecke, die ausgebaut werden sollte, schoss es Burmeester durch den Kopf, als ein Fahrzeug sich just von dem Parkplatz aus in Bewegung setzte, den er ansteuerte. Er sprang ins nächstgelegene Grün und duckte sich.
Ein kurzer Blick auf das rückwärtige Nummernschild war ihm möglich, DU–G . Zwei gleiche Ziffern am Ende, mehr konnte er nicht erkennen, schon war der dunkle, bullige Wagen der Fahrzeugklasse SUV verschwunden.
Beim bodennahen Verlassen seines Verstecks hörte Burmeester ein fieses kleines Geräusch, bemerkte einen Luftzug und einen kurzen Schmerz am Oberschenkel. Einen lappigen V-Riss konnte er im Stoff ertasten, ein Zweig hatte ihm einen Ratscher bis in die Haut beschert. Egal, er hatte nur ein Ziel, blickte sichernd die Straße auf und ab, verließ seine Deckung und schlüpfte durch die offene Einfahrt der Fabrikhalle auf den Parkplatz, verbarg sich hinter abgemeldeten Fahrzeugen. Von hier aus hatte er keinen Blick auf den Eingangsbereich, er musste weiter, der Zugang befand sich auf der Rückseite des Gebäudes. Dort gab es nur eine einzige Möglichkeit, sich zu verbergen. Ein Müllcontainer am Ende des plattierten Geländestreifens bot den einzigen Schutz, falls ihm jemand dazwischenkam.
Er spurtete los, kein Licht drang durch die Eingangstür, keins aus den deckenhohen Oberlichtern, die Luft schien rein. Letzte sichernde Blicke zu allen Seiten, im dünnen Strahl seiner Taschenlampe fingerte er aufgeregt ein Paar Einweghandschuhe und das Werkzeugset aus der Jacke, erinnerte sich an die Tipps seines Kollegen von der Spurensicherung, bediente souverän unterschiedliche Haken und Winkel.
Mit einem Mal öffnete sich die Tür mit einem sanften Geräusch. Burmeester verharrte in Erwartung eines ohrenbetäubenden Lärms, nichts. Anscheinend war die Tür nicht gesichert, wie leichtsinnig. Er schlüpfte durch den engen Eingang. Er war drinnen. Was nun, wenn die Security auf
Weitere Kostenlose Bücher