Die Eule von Askir
Knarren, als es sich an der Mole rieb, war nicht mehr zu hören, stattdessen stöhnte das Holz.
In der Nacht wurden keine Schiffe aus dem Hafen geschleppt, so viel wusste auch Wiesel. Zudem konnte die kleine Mannschaft kaum das Schiff in der kurzen Zeit seeklar gemacht haben. Dennoch lag es unbestreitbar nicht mehr fest. Auch wenn er keine Möglichkeit hatte, sicher zu sein, sein Magen sagte ihm, dass es, unmöglich oder nicht, gerade langsam Fahrt aufnahm. Er sah auf die blutige Schönheit in seinen Armen herab und grinste freudlos.
»Ich glaube, Prinzessin, es ist Zeit von hier zu verschwinden.«
Was auch immer das Geheimnis dieses Schiffs war, Wiesel dachte nicht daran, noch länger an Bord zu verweilen. Was hatte der eine vorhin gesagt? Dass sie hier in dieser Kammer ertrinken würde?
Die Frau war nicht schwer, dennoch hatte er es nicht einfach, im Dunkeln den Weg zurückzufinden. Doch er erreichte die Luke, durch die er gekommen war, ohne Schwierigkeiten. Vorsichtig legte er seine kostbare Last ab und schlich die steile Stiege hoch, aber diesmal öffnete sich die Luke nicht. Das Klirren von Kettengliedern verriet ihm den Grund. Jemand hatte die Tür von außen gesichert.
Wiesel fluchte leise und zögerte einen Moment, dann musterte er die Messingscharniere der Luke, die mit breiten stabilen Schrauben im Aufgang festgemacht waren. Auf beiden Seiten war der Scharnierstift plattgeschlagen, also war es nicht ganz so einfach, zudem beschlich ihn das Gefühl, dass ihm die Zeit davonrannte.
Also trat er mit aller Kraft gegen die Luke. Im Moment war es ihm einerlei, ob es jemand hörte oder nicht. Nach drei Tritten brach das Holz, weitere Tritte erlaubten ihm, einen Arm hindurchzustecken und dann den Kopf. Und wo Kopf und Arm hindurchpassten, passte auch ein Wiesel, einen Atemzug später stand er auf dem Deck und löste die Kette, die mit einem schweren Schekel gesichert war. Im Mondlicht konnte er das Achterkastell sehen. Dort ging gerade die Mannschaft über Bord, nur ein Mann stand noch am Ruder. Hastig duckte sich Wiesel wieder in den Aufgang, eilte die Stiege hinunter und warf sich die bewusstlose Frau über die Schulter.
Sein Magen hatte ihn nicht getäuscht. Das riesige Schiff glitt tatsächlich über die dunklen Wasser des Hafens, und das, ohne auch nur einen Fetzen Segel gesetzt zu haben. In der kurzen Zeit, seitdem er die erste Bewegung gespürt hatte, war es überraschend weit gekommen. Es war auch nicht unentdeckt geblieben, rechterhand glitt langsam das Gebäude der Hafenwacht an ihm vorbei, und dort waren einige Seeschlangen fieberhaft damit beschäftigt, eines der Jagdboote zu Wasser zu lassen. Ein anderer gab Fackelsignale hoch zu den Hafentürmen. Noch während Wiesel zögernd dastand, schlug ein massiver und doppelt mannslanger Bailistenbolzen knapp neben dem Schiff ins Wasser ein. Die Mannschaften oben auf den Hafentürmen hatten wohl etwas dagegen, dass es ihnen entkam. Doch das schwarze Schiff hielt nicht auf die Hafeneinfahrt zu, sondern auf den schmaleren Kanal, der zum Werfthafen führte.
Keine Zeit zum Verweilen mehr, dachte Wiesel. Mit einem schnellen Gebet fasste er die bewusstlose Frau fester und sprang über Bord.
Unter Wasser war es heller als erwartet. Das Mondlicht ließ die Luftblasen silbern glänzen, als er und die Frau im Wasser einschlugen und unter die Oberfläche gerieten. In diesem Moment wusste Wiesel drei Dinge: Das Wasser war zu kalt für ihn, er hasste es, nass zu werden, und es gab diese Ungeheuer, von denen alle redeten, wirklich.
Denn dort schwammen sie, Dutzende, nein, Hunderte von ihnen, an den Rumpf des Schiffs gepresst, endlos viele, Reihe um Reihe von Echsen, unwirklich und geisterhaft im mondscheinbeschienenen Wasser. Jede von ihnen war um die Hälfte größer als ein Mensch, grün geschuppte Ungeheuer mit einem langen kräftigen Schwanz, massiven krallenbewehrten Hinterbeinen, einem furchteinflößenden Gebiss und goldenen, senkrecht geschlitzten Augen. Er und die Frau waren direkt vor dreien dieser Ungeheuer im Wasser gelandet.
Wiesel konnte einem dieser Biester direkt in die Augen sehen und wusste nicht, wer erstaunter glotzte, er selbst oder dieses fremdartige Wesen.
Einen Moment lang dachte er, die Bestie würde sich auf ihn stürzen, doch das geschah nicht. Das Biest hielt sich nur weiter mit den vorderen Klauen an dem rostigen Bolzen fest, der dort in die Außenwand des Schiffs getrieben war, und strampelte, wobei es zusammen mit den anderen
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