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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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war niemand anderes als jene Frau, die ihm damals auf der Mauer seinen Glückbringer geschenkt hatte – mit einem Wurf mitten in die Schulter.
    »Den Göttern zum Gruß«, sagte er höflich, als er einen seiner Ersatzdolche aus dem Ärmel schüttelte. Sie funkelte ihn nur an. »Ich bin auch erfreut, Euch zu sehen«, fuhr Wiesel fort, als er sich ihr vorsichtig näherte. »Was haltet Ihr davon, wenn ich Euch befreie?«, fragte er, doch die Art, wie sie trotzig das Kinn hob, zeigte ihm, dass sie ihn nicht verstand oder ihm nicht traute. Diesem mörderischen Blick folgte der nächste Tritt, dem Weisel diesmal leichter ausweichen konnte. Schließlich wusste er, dass er kommen würde.
    Wiesel zögerte nicht mehr, er trat breit grinsend an sie heran und hielt sie dabei mit einer Hand fest. Die Klinge seines Dolchs war rasiermesserscharf, und wenn sie zappelte, konnte er sie leicht verletzten. Er schnitt mit drei raschen Schnitten die Knoten durch und sprang dann zurück, während sich das Seil langsam um sie löste und sie sich darin zu winden begann wie ein nasser Aal. Einen Moment später fiel sie wie eine Katze auf alle viere. Danach drückte sie sich brutal die Kette über ihren Kopf – sie war so straff gespannt, dass es ihr einen Mundwinkel aufriss, aber das war ihr offenbar gleichgültig. Schließlich stieß sie etwas in ihrer Sprache aus. Es klang faszinierend, aber wohl kaum freundlich gemeint, denn im nächsten Moment fegte ihm ihre Ferse beinahe den Kopf von den Schultern.
    Wiesel trat hastig einen weiteren Schritt zurück, ließ den Dolch verschwinden, hob die Hände mit den Handflächen zu ihr und bemühte sich um sein offenstes Lächeln. »Ich nichts tun! Ich dir helfen! Wir gehen zusammen von Schiff.«
    Sie hielt inne und legte den Kopf auf die Seite. »Ich verstehe deine Sprache besser, wenn du sie nicht verhunzt«, antwortete sie und spuckte Blut. »Du gehörst nicht zu denen, oder?«
    »Ah«, meinte Wiesel und versuchte, schnell genug umzudenken. »Nein. Ich bin hier, weil ich wissen will, was sie vorhaben. Der Kapitän des Schiffs war ein Nekromant, ein Seelenreiter, also kann es nichts Gutes sein.«
    »Still!«, zischte sie und glitt zur Seite. Als der Mann von der Besatzung die Tür aufstieß und mit einem breiten Grinsen hereinkam, sah er nur Wiesel, der ihn freundlich anlächelte.
    »Sagt, guter Mann, fährt dieses Schiff nach Bessarein?«
    Der Mann verlor sein gehässiges Grinsen und glotzte unverständig, dann war es auch schon zu spät für ihn.
    Ganz genau vermochte Wiesel es nicht zu verfolgen, dazu ging es zu schnell. Für ihn sah es aus, als ob die Frau schnell wie eine Natter zuschlug, erst beidhändig einen Schlag mit den flachen Händen von hinten auf die Ohren des Mannes führte, der ihm die Augen hinauszutreiben schien, dann stand sie auch schon vor dem Kerl und stieß ihm zwei schlanke Finger bis zum letzten Knöchel in eben diese Augen. Sie zog die Finger wieder heraus, wischte sie an seinem Hemd ab und nahm ihm das Entermesser aus der einen leblosen Hand und die Laterne aus der anderen.
    Der Mann polterte wie ein Sack vor ihr auf die Planken, und dann stellte sie die Laterne ab und schaute schnell durch die Tür. Es war wohl niemand zu sehen, denn sie gab Wiesel ein Zeichen, ihr zu folgen. Doch dann griff sie sich überraschend an den Bauch und schloss schwer atmend die Augen, während sie langsam an der Wand hinabrutschte. Wiesel fing sie auf. Der Grund für ihre Schwäche war jetzt im Schein der Laterne leicht zu erkennen.
    Die zerrissene Seidenrobe klaffte an genügend Stellen auseinander, um ihm zu zeigen, wie brutal die Seile sie gebunden hatten. Schwere Abschürfungen und Blutergüsse entlang der tiefen Abdrücke des Seils machten das deutlich, dazwischen waren überall wässrige Wunden wie von tausend kleinen Schnitten zu sehen. Unter ihrer Hand tropfte Blut aus einem tiefen Stich und etwas, das ihm wie Eiter vorkam. Die dunkle Pfütze, in der die Seile lagen, die sie gehalten hatten, verriet, wie viel Blut sie bereits verloren haben musste. Ihre Augenlider flatterten. Einen Moment lang schaute er in ihre dunklen Augen, erkannte den fragenden Blick darin, dann sah er nur noch das Weiß ihrer Augäpfel, als sie in seinen Armen erschlaffte.
    Im nächsten Moment wäre Wiesel beinahe gefallen, denn das Schiff legte sich etwas zur Seite und schien unter seinen Füßen aufzusteigen, dann erst fiel ihm auf, dass sich die Geräusche des Schiffs verändert hatten. Das regelmäßige

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