Die Eule von Askir
in den Stand hinein. »Sagt mir, wer in diesem Haus wohnt!«
»Droht Ihr mir?«
»Nein!«, rief Santer erbost.
»Dann werdet nicht laut!«, fauchte sie. »Wenn Ihr eine Eule seid, dann ist es Eure Aufgabe, mich zu schützen, und nicht, mich zu ängstigen.«
Santer atmete tief durch, griff in seinen Beutel, nahm einen weiteren Kupfergroschen heraus und legte ihn auf den Zählteller. Doch er hielt den Finger darauf.
»Das Haus gehört einer reichen Witwe. Sera Asela. Aber sie ist keine Witwe, das behauptet sie nur. Wisst Ihr was? Sie ist nichts Besseres als eine Kurtisane! Sie tut nur so, als wäre sie wer, aber in Wirklichkeit öffnet sie ihre Pforten für jeden, der sie bezahlen kann. In den Tempel geht sie auch nie, opfert nicht mal etwas an unserem Schrein.« Die Empörung der alten Frau war deutlich. »Wenn sie schon Astarte dient, dann sollte sie doch mindestens am Schrein spenden, nicht wahr? Sie ist verdorben bis aufs Blut. Ihr solltet sehen, wie hochnäsig sie hier herumläuft, mit ihrer Jugend und Schönheit protzt und ihre Waren feilhält. Sie hüllt sich in einen Umhang, aber an ihrem Busen scheint sie nie zu frieren. Sie gibt euch Männern immer genug zu gaffen.«
»Ich…«, begann Santer.
»Ihr braucht gar nicht erst zu glauben, dass sie Euch erhören wird«, fuhr sie wütend fort. »Sie vergibt ihre Gunst gegen Gold, auf keinen Fall weniger als das. Wenn Ihr allerdings Gold habt, dann nimmt sie Euch auch, wenn Ihr bucklig seid.«
»Danke, Sera«, sagte Santer höflich. »Ich werde…«
»Wie könnt ihr Männer nur bei Frauen liegen, die nicht in den Tempel gehen? Ehrbare Frauen gehen in den Tempel, selbst wenn sie Huren sind.« Sie funkelte ihn vorwurfsvoll an. »Könnt Ihr mir das erklären, junger Mann? Bei der holt Ihr Euch doch nur die Falsche Jungfer!«
»Ich habe nicht die Absicht…«, begann Santer, überlegte es sich aber anders, verbeugte sich kurz und floh.
Er fand Desina auf der anderen Straßenseite, sie hustete und schien sich verschluckt zu haben, dann bemerkte Santer, dass sie nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken konnte.
»Damit haben wir das Geheimnis gelüftet«, meinte er, als sie weitergingen. »Es wird ihm einfach nur peinlich sein… deshalb der Umhang.«
»Vielleicht«, antwortete Desina und sah noch einmal zum Haus der Kurtisane zurück. Dann schaute sie zu ihm hoch und lächelte unschuldig. »Ich bin neugierig. Werdet Ihr mir berichten, ob er wirkt?«
»Ob wer wirkt?«, fragte Santer verwirrt.
»Der Becher«, sagte sie. »Er ist etwas schlicht für drei Groschen, aber wenn man bedenkt…«
50
Asela sah den beiden nach, dann ließ sie den Vorhang wieder fallen. »Ihr seid unvorsichtig, Schwertobrist«, sagte sie zu dem Mann, der sich stöhnend und schweißgebadet auf dem Bett räkelte. Er bot einen seltsamen Anblick dabei.
Merzek, der mit einer Tasse Tee nahe einem Schreibpult an der Wand lehnte, zog eine Augenbraue hoch. »Was ist?«, fragte er.
»Mir scheint, als ob unser Freund die Eule und ihren tumben Affen hierher geführt hat«, antwortete sie. »Aber sie haben keinen Verdacht geschöpft, sonst wären sie nicht so offen weitergegangen.«
»Seid Ihr sicher, Sera?«, fragte Merzek.
»Sicher genug. Lasst uns weitermachen.«
Merzek nickte, setzte die Tasse ab und öffnete die Klappe des Schreibpults. Er nahm eine Feder heraus, zog sein Messer und schärfte den Kiel.
»Ich weiß nicht, wie Ihr das macht, Sera«, sagte er mit Bewunderung in der Stimme. »Glaubt er denn tatsächlich, dass er bei Euch liegen würde?«
Sie lachte. »Ich erfülle ihm jeden seine Wünsche, seien sie noch so seltsam«, bestätigte sie. »Er zahlt ja auch genug dafür. Für ihn ist es real, was er sieht…«
»Das ist offensichtlich«, sagte Merzek, als der Schwertobrist wollüstig aufstöhnte.
»Einige seiner Fantasien sind sogar recht anregend«, meinte sie und befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen, während sie Merzek aus dunklen Augen ansah. »Habt Ihr auch Interesse?« Ihre Finger spielten mit dem Anhänger aus Gold und Obsidian.
»Nein, danke«, sagte Merzek und schaute hastig zur Seite. Sie lachte und ging an das Bett, wo der Schwertobrist eben zu keuchen anfing. Sie strich ihm leicht über die Stirn, und mit einem letzten Stöhnen lag er still.
»Liebster, wer war bei dieser Besprechung anwesend? Was genau wurde gesagt?«
»Anwesend waren der Kommandant, Stabsobrist Orikes, Admiral Jilmar. Jilmar berichtete von dem Überfall der Echsen
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